Seite - 542 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19
Bild der Seite - 542 -
Text der Seite - 542 -
542
Unter den nationalen Sängern der Rnthenen ist der älteste, Bojau, eine legendäre
Persönlichkeit. Er soll in den Jahren 1019 bis 1079 gelebt und als wandernder heroischer
Sänger neue Richtungen geschaffen haben. Er verwarf die alte Kithara und führte neue
vielsaitige Instrumente, die Theorbe nnd die Bandnra, ein. Dadurch wurde der Ton-
umfang größer, die Modulationen konnten, ohne das Instrument umzustimmen, ausgeführt
werden, Verzierungen milderten die Härte der Sprünge und veredelten die Melodie. Um
das Jahr 1058 lebte am Hofe Jaroslaus' I. der berühmte Regens Manui l , welcher als
Verfasser vieler Kirchen- und weltlicher Lieder gepriesen wird, im Jahre 1108 zu Przemysl
Dymitri, welcher durch seine Lieder und durch seinen Gesang zu hohem Ruf gelangte. Um
das Jahr 1185 wird Bojan II. als Verfasser vieler rhapsodischer und heroischer Lieder
bezeichnet, unter anderen des berühmten Liedes von den Kriegsschaaren Igors „ciuma
o pu lku I^ora" . Er war auch ein ausgezeichneter Theorbanist. In den Jahren 1240
bis 1249 lebte am Hofe Daniels von Haliez der Sänger Mitnsa, der den Fürsten auf
seinen Zügen gegen die Tataren begleitete. Doch nahm seine künstlerische Laufbahn ein
tragisches Ende, da Fürst Daniel ihn wegen der Profanation der Kirche durch weltliche
Lieder, welche er in den Kirchengesang einzuführen bestrebt war, hinrichten ließ.
Das Volkslied änderte im Zeitraume vom XIII. bis XVIII. Jahrhundert immer
mehr seinen Charakter, indem sich das locale Volkslied sowie neue Formen ausbildeten
und der Tonumfang sich erweiterte.
Das locale Volkslied verdankt seine Entstehung einerseits dem erschwerten Verkehr,
welcher den Austausch musikalischer Ideen in hohem Grade hemmte, anderseits heftigen
Eindrücken, welche zu neuen musikalischen Ideen anregten. Viele dieser localen Lieder
blieben in den engen Grenzen mehrerer oder sogar einer einzigen Ansiedelung, und man
müßte sie in ihrem Geburtsorte aufsuchen, nm sie kennen zu lernen. Manche aber fanden
ihrer anmuthigen Form und Melodie wegen größere Verbreitung; so drangen der „Kozak",
die „Kotomyjka" nnd die „Dumki" sogar in Polen ein.
In den ungewöhnlichen musikalischen Anlagen des rnthenischen Volkes liegt der
Grund für die Ausbildung verschiedener musikalischer Typen. Der schönste und interessanteste
Typus des Volksliedes ist in seinen unzähligen Weisen das Kozakenlied. Die Kozakenlieder
sind entweder die „Dnmy", welche Leben nnd Thaten der Kozaken besingen, oder eigentliche
Soldatenlieder. Die „Dumy" wurden von Sängern mit Begleitung eines Saiteninstrumentes
vorgetragen, die Soldatenlieder zeichnen sich durch eine eigenthümliche Form aus. Sie
beginnen mit einer reizenden unrhythmischen Melodie, dann folgt ein Chor mit frischem,
lebhaftem Rhythmus. Oft bildet dieser Chor eine Art „Refrain" nach einem längeren Solo.
Diese Art Strophen abzuschließen ist uralt und war bei vielen slavischen Völkern üblich.
Das Solo mußte von einem tüchtigen Vorsänger gesungen werden, der eine nnd dieselbe
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch