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mit den paternu rura zufrieden, dichtet weiter, macht sich auf seines Gönners Myszkowski
Wunsch an die Übersetzung der Psalmen und kommt zur Einsicht, daß es am Ende doch
Zeit wäre, an eine Heirat zu denken. Nach mehreren Jahren der Überlegung vermählt er
sich (1574) mit der Schwester eines Nachbars, Dorothea Podlodowska. Einige allerliebste
Lieder und die Sodvtka , ein idyllisches Gedicht zu Ehren des landesüblichen Gebrauches,
am Johannis-Vorabende mitten in den Feldern Feuer anzuzünden und rings herum zu
singen, gehen seiner Heirat voran.
Stefan Bathory besteigt den Thron; sein Anblick erfüllt den Dichter mit neuem Muth
und neuer Begeisterung. Endlich sieht er einen König auf dem Thron, der allen Wünschen
seines Herzens entspricht. Unter diesem Eindruck tritt er in die letzte Periode seiner
dichterischen Thätigkeit. Den hohen politischen Absichten des Königs sucht er mit seiner
Feder zu dienen. Kleinerer Gedichte politischen Inhalts nicht zu gedenken, legt er seinem
classischen Drama eine politische Tendenz unter. Es ist dies die Oc lp rava ?c»stövv
Fi-eclilcl, (Abfertigung der griechischen Gesandten).
Der Inhalt ist der Geschichte des trojanischen Krieges entnommen; Menelaos und
Ulysses erscheinen in Jlion, um Helena friedlich abzuholen, und werden abgewiesen. Die
Form ist der griechischen Tragödie streng nachgeahmt, mit treffender Charakteristik der
Personen, ernstem majestätischem Ton in den Chören und edlem Pathos in einigen Scenen.
Das Interessante aber ist, daß die Tragödie zugleich eine tendenziöse Brochnre, diese
trojanische Geschichte eine Anspielung auf die polnische ist. Der Rath der trojanischen
Großen unter König Priamns Vorsitz ist ein lebendiges Bild des polnischen Reichstags.
Die Weissagungen der Seherin Kassandra beziehen sich auf die Republik, speciell auf
die Königswahl; die Schlußworte, in denen sich die Tendenz des Werkes eoncentrirt,
sind darauf berechnet, die Gemüther für den Kriegszug gegen Moskau zu entflammen.
Die Psalmenübersetzung hat für die polnische Literatur eine Bedeutung, wie sie
dergleichen Arbeiten nur selten zukommt. Der poetische Stil erreicht hier den höchsten
Grad der Vollkommenheit. Majestät und Pathos, herzzerreißender Jammer und
inniges Flehen, alles weiß Kochanowski in einer Mannigfaltigkeit der Versmaße wieder-
zugeben, daß seitdem nichts für diese Sprache unerreichbar war.
Einige Jahre später wurde der Dichter von einem schweren, eigentlich dem
einzigen schweren Unglück in seinem Leben getroffen: er verlor sein zweijähriges
Töchterchen Ursula. Das Kind ist durch des Vaters Schmerz unsterblich geworden. Er
schrieb seine l'i-en? (Todtenklage). Elternliebe, Elternschmerz begegnen sich in der Lyrik
der ganzen Welt selten. Einen Ausdruck wie Kochanowski diesen Gefühlen zn geben
vermochte, dürfte man schwerlich anderswo finden. Seine neunzehn Elegieu umfassen den
ganzen Kreis jener Leiden, die man nach dem Tode eines theuere« Wesens empfindet.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch