Seite - 600 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19
Bild der Seite - 600 -
Text der Seite - 600 -
600
nach verschiedenen Städten unternehmen mnßte. Endlich kam die Reihe an Lemberg, wo
sich Bogustawski fünf Jahre lang (1794 bis 1799) aufhielt. Anfangs wurde ihm kaum
eine polnische Vorstellung wöchentlich gestattet. Dieser Aufenthalt Boguslawskis hatte für
die Lemberger Bühne dauernd glückliche Folgen. Damals bildete sich nämlich unter seiner
Leitung der junge I. N. Kaminski zu jenem tüchtigen Director heran, dein das Lemberger
Theater seine Blütezeit im dritten Deeennium unseres Jahrhunderts verdankt.
Beim Herannahen des vierjährigen Verfassungsreichstages (1788) und während
der Dauer desselben wird die politische Literatur so umfang- nnd inhaltsreich, daß ihr eine
besondere Abhandlnng gewidmet werden müßte. Hier mögen aus der Masse von Schrift-
stellern auf diesem Gebiete nur zwei hervorgehoben werden, jene zwei freilich, welche in
ihren Schriften die Reformideen am tüchtigsten verfechten, denselben zum Siege verhelfe«
uud sich um die Rettung der damaligen Republik in der Literatur am meisten verdient
gemacht haben. Es sind dies Stanislaw Staszye nnd Hugo Kottontaj.
Staszye, der Sohn eines Bürgers des Städtchens Pita (Schneidemühl, Groß-
herzogthum Posen), 1755 geboren, von seiner Mutter schon frühzeitig zum Priesterstaude
bestimmt, war als Kind Zeuge eines Unrechts, das seinem Vater von einem Starosten
(Bezirkshanptmann) widerfuhr und das in seiner kräftigen, ja leidenschaftlichen Natur das
schmerzliche Gefühl der Zurücksetzung seines Standes, heftigen Groll gegen Privilegien
und Privilegirte hervorrief. Seine Studien vervollständigte er in Paris zur Zeit, als
Rousseau auf dem Höhepunkt seines Ruhmes stand und die Ideen enthusiastische Aus-
nahme fanden, die sich im Jahre 1789 Bahn brechen sollten. Sie übten auch auf den
feurigen Jüngling mächtigen Eindruck.
Mit Recht wird er der erste Demokrat in Polen genannt. Nur hätte dieser erste
zugleich ein Vorbild aller späteren werden sollen, denn er kann als Ideal eines Demokraten
gelten. Vaterlandsliebe, Pflichtgefühl, politischer Verstand leiten ihn in allen seinen
Schriften; von Parteigeist oder Selbstsucht ist bei ihm keine Spur. Eine demokratische
Republik wäre wohl sein Ideal, er sieht aber ein, daß sein Vaterland, wenn überhaupt,
so nur durch die Kräftigung der Ceutralgewalt gerettet werden kann, uud so ist er der
erste Pole, welcher klar und offen für die Abschaffung der Wahl und die Einführung der
Erbmonarchie einsteht.
Diese Gedanken vertrat er znerst 1784 in den „Bemerkungen über das Leben
Johann Zamoyskis" , sodann (1790) mit viel größerer Kraft in seiner „Mahnung
an Polen". Beide Schriften wirkten elektrisirend; sie umfassen die Hauptfragen der
politischen wie der socialen Wiedergeburt und tragen wenigstens in der Theorie den
Sieg davon. Zur Verbreitung uud Annahme jener Principien, auf denen die Verfassung
des 3. Mai 1791 beruht, hat Staszye mehr als irgend ein anderer Schriftsteller beigetragen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch