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unter den damaligen Classikern — Cajetan Kozmian. Im Jahre 1772 geboren (in der
Lnbliner Wojwodschaft), nach 1795 österreichischer Unterthan, mit einer gründlichen
classischen Bildung allsgerüstet, ist er Classiker im römischen, nicht im französischen Stil
nnd Geschmack. Seine Prosa — eine muster- und meisterhafte Prosa — trägt sichtbar den
Stempel des Livins an sich; seine Gedichte sind in Stil, Versban und Ton den Römern
nachgebildet. Virgil galt ihm für den größten Dichter aller Zeiten; ihn ersah er sich zum
Vorbild. Landleben und Ackerbau geben ja dem polnischen Leben Hauptform nnd Richtung;
da meinte Kozmian, nichts könne nationaler sein, als ein Gedicht, welches der Form nach
den Georgica nachgebildet, nach Inhalt und Geist echt polnisch wäre. Jahrelang schrieb
er sein Ziemianstwo (Landleben), bis er es endlich zu der gewünschten Vollkommenheit
brachte. Nach den Georgica blieb dem alten Virgil nur eines übrig: eine Äneis zustande
zu bringen. Sein ganzes Leben hat Kozmian von einer derartigen Aufgabe geträumt,
über dreißig Jahre daran gearbeitet, und endlich, kurz vor seinem Tode hat er seinen
S te fan Czarnieeki vollendet, ein großes heroisches Gedicht in zwölf Gesängen, welches
freilich die Gebrechen aller Kunstepen in sich trägt, aber reich an Schönheiten ist. Anch
schrieb er einige politische Gedichte in Epistelform, vielleicht das beste, was er gedichtet
hat. Er ließ sie aber, wie auch seine übrigen Gedichte, nicht erscheinen, sie wurden erst nach
seinem Tode, welcher im Jahre 1856 erfolgte, veröffentlicht. Auch hinterließ Kozmian
Denkwürdigkeiten, die als eine Quelle ersten Ranges zur Kenntniß seiner Zeit angesehen
werden können.
General Franz Morawski (1783 bis 1861) war Kozmians bewährtester und
theuerster Freund, als Talent und Charakter aber dessen vollständiger Gegensatz, eine
heitere, lebenslustige Soldatennatur, im späteren Alter mit seinem Landgnte Lnbonia
(Großherzogthum Posen) beschäftigt, in seiner Jngend wie in seinem Alter allgemein beliebt
wegen seines sympathischen Wesens, seines feinen Witzes und seiner hohen Bildung.
Schöpferische Phantasie besaß er nicht; aber inniges Gefühl äußert sich in den lyrischen
Gedichten, köstlicher Witz und Humor in den Episteln, Epigrammen und vor Allem in
den Fabeln; eine leichte, elegante, graziöse Form sichern ihm eine ehrenvolle Stellung
unter den polnischen Dichtern des XIX. Jahrhunderts.
Gleichzeitig entwickelt sich der Roman. Aus der ziemlich großen Menge solcher
Versuche ist jedenfalls ein Werkchen hervorzuheben. Interessant lind charakteristisch als
Denkmal der Gesinnungen und Gebräuche jener Zeit, verdient es auch deßhalb genannt zu
werden, weil der Verfasser, eigentlich die Verfasserin, eine eigenthümliche und sympathische
Persönlichkeit ist. Der Roman heißt Malv ina oder der Jnstinct des Herzens, und
stellt dar, wie zwei Zwillingsbrüder, einander so ähnlich, daß sie gar nicht zu unterscheiden
sind, sich um die Liebe derselben jungen Witwe bewerben. Beide nicht mit einander zu
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch