Seite - 607 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Band 19

607 Schmerz, den derselbe nach sich ziehen mußte, und endlich aus dem weltgeschichtlichen Ereigniß der Wiedergeburt der Poesie durch Goethe, Schiller und nachher Byron ging in der polnischen Literatur jene Wendung hervor, die unter dem (jedenfalls zu engen) Namen der romantischen Epoche bekannt ist. Als deren sympathischer, verdienstvoller, bescheidener Vorläufer wird allgemein KazimirBrodziuski angesehen. Derselbe — ein Galizianer — wurde im Dorfe Krölöwka (Bochuiaer Kreis) im Jahre 1791 geboren. Das Gymnasium besuchte er in Tarnöw und dichtete bereits, als er auf die Nachricht vom Herannahen französischer Trnppen die Schule heimlich im Jahre 1806 verließ und Soldat wurde. Alle napoleonischen Feldzüge hat er mitgemacht, bis er bei Leipzig gefangen genommen wurde. Im Jahre 1815 als Professor der polnischen Sprache an einer Mittelschule in Warschau au- gestellt, wurde er (1822) Pro- fessor der polnischen Literatur an der Universität daselbst und später Generalsekretär der Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften. Er starb 1835. Sanftmüthig, harmlos wie ein neugeborenes Kind, das Herz überströmend von der reinsten Liebe zu Gott, dem Vaterlaude, N°p. «-minsn. den Mitmenschen, der Natur, kann Brodziuski fast als ein Heiliger gelten; doch ist er vielleicht eben zu gut, zu leidenschaftslos, um ein großer Dichter zu sein. Seine ländliche Idylle Wieskaw, die als Ankündigung der romantischen Poesie angesehen wird, steht Vossens „Louise" näher als „Hermann und Dorothea". Sympathisch, aber bescheiden, das ist sein Charakter als Dichter. Als Kritiker und Literaturhistoriker zeigt er dieselben Eigenschaften. An Sach- kenntniß den classischen Kritikern unvergleichlich überlegen, hat er Lessing und Herder gründlich und mit Nutzen stndirt; hat aber doch Respect vor den Gesetzgebern des