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Kraft skizzirt, und die tiefe Wehmuth, die aus jedem Worte sich vernehmen läßt,
gewöhnlich aber im letzten Vers cnlminirt, übt einen unwiderstehlichen Zauber aus.
Der patriotische Schmerz aber, das Bewußtsein erlittenen Unrechts, der Haß
endlich, brachen vulcauartig im Konrad Wallenrod aus. Derselbe wurde in Moskau
begonnen, wohin der Dichter aus Odessa (1826) versetzt worden war und wo er bis 1828
verblieb. Der Form nach liegt uns hier eine jener lyrisch-epischen Erzählungen vor, die
Byron erfunden und verbreitet hat. Der Inhalt — freilich nicht streng historisch — ist den
Kämpfen Lithauens mit dem deutschen Orden entnommen. Ein lithauischer Knabe wird bei
einem nächtliche» Überfall gefangen genommen, weggeführt, und vom Großmeister erzogen.
Als Jüngling aber geht derselbe in einer Schlacht zu den Seinigen über, heiratet eine
Tochter des Fürsten Kiejstnt und kämpft gegen den Orden. Überzeugt, daß Lithauen der
Übermacht nicht lange werde widerstehen können, entschließt er sich zur Selbstaufopferung
und zum Verrath. Er verläßt seine Frau, tritt vergessen uud unbekannt unter falschem
Namen in den Orden ein und zeichnet sich so sehr aus, daß er endlich zum Großmeister
gewählt wird. Jetzt führt er seine Rache aus; er unternimmt einen Kriegszug gegen
Lithauen, der mit der völligen Niederlage des Ordens endet. Ein geheimes Gericht
verurtheilt ihn dann zum Tode, dem er durch Selbstvergiftung zuvorkommt.
Der kurz erzählte Inhalt läßt die Menge poetischer Schönheiten ersten Ranges nicht
ahnen, die Mickiewicz in diesem Gedichte angehäuft hat. Die Kritik mag Manches an dem
Werke auszusetzen haben. Nur eines wird sie nicht leugnen können, daß nämlich während
die Ahnen uns rühren und einem Fragmente antiker Bildhauerkunst aus der
besten Zeit gleicht, Wallenrod trotz all seiner Fehler großartig ist und in einigen seiner
Theile selbst von Mickiewicz nie übertroffen wurde.
Von lyrischen Gedichten gehört in jene Zeit der Fa rys , eine Allegorie des mit
allerlei Hindernissen kämpfenden Genies, welche mit dem beruhigenden und beglückenden
Siege des Selbstbewußtseins endet.
Mickiewicz wurde (im Jahre 1828) von Moskau nach Petersburg versetzt, wo er
den Wallenrod drucken ließ und mehrere interessante Verhältnisse anknüpfte: so die
Bekanntschaft mit dem Dichter Pnszkin und die Freundschaft mit der dem deutschen
Publikum aus Goethes Leben bekannten Frau Marie Szymanowska (deren Tochter Eelina
er nach mehreren Jahren geheiratet hat). Seine Gesundheit begann aber unter dem rauhen
Klima zu leiden, der Aufenthalt in Rußland war ihm ohnehin zuwider. Seinen Freunden
gelang es, ihm einen Reisepaß nach Italien zu erwirken. Er verließ Petersburg im Mai
1829, bereiste Deutschland, von seinem Freunde Odyniec begleitet, wurde im August in
auszeichnender Weise von Goethe empfangen, und gelangte im Herbst dieses Jahres nach
Rom, wo er sich bis zum Frühling 1831 aufhielt.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch