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Hebung seiner Nation, vor Allem der Emigration bedacht. Im Jahre 1834 vermählte er
sich mit Celine Szymanowska. Die Pflichten eines Familienvaters zwangen ihn, ein
sicheres und ausreichendes Einkommen zu suchen. So kam es, daß er 1838 die ihm
angebotene Anstellung eines Professors der lateinischen Literatur bei der Akademie in
Lausanne annahm und daselbst bis gegen Ende des Jahres 1840 verblieb. In diesem
Jahre nach Paris berufen, hält er im <üc»IIeAs cke Trance Vorträge über slavische
Literaturen. Dieselben können, was die polnische Literatur anbelangt, als deren erste
gediegene Geschichte gelten. Im dritten Jahrgange aber wurde Mickiewiez von der
religiösen Doctrin des Andreas Towianski angezogen und widmete alle seine Kräfte
der Förderung dieser, wie er meinte, Sache Gottes. Towianski war einer von
den vielen Religionsstiftern, wie sie in verwirrten Zeiten aufzukommen Pflegen. Er
gab vor, seine Lehre verhalte sich zum Christenthum, wie dieses zum alten Testament.
Unter der polnischen Emigration fand er wohl eifrige, aber nicht zahlreiche Anhänger:
und selbst diese hätte er nicht gefunden, wäre es ihm nicht gelungen, Mickiewiez auf seine
Seite zu bringen. Dies aber läßt sich durch das überspannte Gefühl des Dichters, seine
Hoffnung auf neue und außerordentliche Ereignisse erklären; zum Theil auch durch die
Genesung der nervös kranken Gattin des Dichters, die der Meister durch seine Anrede
erschüttert und dadurch für eine Zeit lang wirklich geheilt hat. Angriffe auf die Kirche,
vielleicht mehr noch der Enthusiasmus für Napoleon bewogen die Regierung Louis Philipps,
dem Dichter die Kanzel zu entziehen. Jahrelang hing er mit seiner ganzen Seele an seinem
Meister und dessen Versprechungen einer nahen Wiedergeburt der Menschheit, und wenn
auch später sein Enthusiasmus immer kühler wurde, vermochte er doch nie, sich ganz von
der Doctrin loszumachen.
Mickiewiez dichtet nicht mehr; aber die Blütezeit der polnischen Dichtung ist damit
nicht zu Ende. S igmund Krasinski, in Paris 1812 geboren, war der Sohn eines
tapferen Generals in der polnischen Armee, der einen glänzenden Namen und ein in Polen
selten großes Vermögen von seinen Vorfahren ererbt hatte. Sigmund verrieth schon in
seinen Schuljahren ungewöhnliche Geistesanlagen und eine lebhafte, düster gefärbte
Phantasie. General Krasinski galt in diesen Jahren (1828 bis 1829) mit Unrecht als ein
zu ergebener Anhänger der russischen Regierung; diese Meinung erstreckte sich auf den Sohn,
welcher, bereits Universitätshörer, von seinen Eollegen öffentlich in einem Hörsaal beleidigt
wurde. Dies war der entscheidende Augenblick im Leben des künftigen Dichters. In seinem
Herzen theilte er die Gefühle seiner Mitschüler, nicht die Ansichten des Vaters; für einen
siebzehnjährigen Jüngling eine harte Probe, die aber der junge Krasinski mit männlicher
Kraft bestand. Ohne sich von dem Vater loszusagen, gelobte er sich selbst, sein Leben dem
Vaterlande zu widmen. In Warschau konnte er nach jenem Auftritt nicht bleiben, der Vater
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch