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ließ ihn seine Studien in Genf fortsetzen. Kurz nachher brach der Aufstand vom Jahre 1830
aus. Der Jüngling flehte um die Erlaubniß, zurückkehren und kämpfen zu dürfen, der Vater
ließ es nicht zu. Der Sohn gehorchte, obgleich sich seine Qual bis zur Verzweiflung steigerte.
Nach Ende des Krieges wurde dem General Krasinski der Wunsch geäußert (rede
befohlen), den Sohn am Hofe in Petersburg vorzustellen und ihn in Staatsdienste treten zu
lassen. Sigmund mußte diese Reise unternehmen; seine schwache Gesundheit wurde aber
durch das Klima und den inneren Kampf so ernstlich angegriffen, daß er in Petersburg
in eine schwere Krankheit verfiel. Es war augenscheinlich, daß er im nordischen Klima nicht
bleiben konnte; ein Reisepaß wurde ihm ertheilt. Er eilte nach Italien, welches das gelobte
Land seiner dichterischen Vorliebe war. Unterwegs, zu Wien, warf er in einem Guß sein
erstes großes Werk aufs Papier, die Nieboska Xvmeck^a, (Ungöttliche Eomödie).
Den Inhalt dieses Gedichtes bildet eine sociale Revolution, die in einer mehr oder
weniger entfernten Zukunft wahrscheinlich ausbrechen könne, fast dürfte man sagen,
ausbrechen müsse. Das Gedicht ist in Prosa geschrieben, knrz, und die Scenen nur skizzirt,
in dieser Kürze und Gedrängtheit aber von einer Präcision des Denkens und Ausdruckes,
die nur großen Geistern und großen Dichtern eigen ist. Das geniale Werk hat (wiewohl in
unzureichenden Übersetzungen) die Aufmerksamkeit und Bewunderung ausgezeichneter
Männer erweckt. Lord Lyttou, der ehemalige Viceköuig von Indien und englische Gesandte
in Paris, hat eine Paraphrase der ^ i edoska Xomeä^a unter dem Titel Orval, tke
k'vol o k l i m e geschrieben. Ausführlicher behandelt, scheinbar klarer auseinandergesetzt,
ist der Gegenstand in dieser Bearbeitung verschwommen und verkleinert.
. Dies erste Gedicht des Krasinski bezeichnet die Richtung, welcher er bis an sein
Ende treu bleiben wird, nämlich in seiner Dichtung mit den weltgeschichtlichen Fragen des
Jahrhunderts sich zu befassen.
Krasinskis zweites Gedicht, ein prosaisches und nicht scenisches Drama wie das
erste, der J r id ion, sucht eine andere Frage zu lösen, nämlich auf welche Weise die
Wiedergeburt eines gefallenen Volkes möglich ist. Der Dichter denkt sich einen Griechen,
welcher den Untergang von Hellas nicht verschmerzen kann und denselben an Rom rächen
will. Es sind Heliogabals Zeiten. Jridion, ein Urenkel Philopoemens, der seinem sterbenden
Vater Haß und Rache gegen Rom geschworen hat, vereinigt in seiner Hand alle Elemente
der Zerstörung und Zersetzung Roms. Das Unternehmen ist mißlungen; mißvergnügte
Prätorianer erheben den Alexander Severus auf Heliogabals Thron, Rom ist wiederum
auf einige Zeit gestärkt. In dem Epilog wird über Jridion ein Gericht abgehalten, in
welchem Satan den Schuldigen als seine Beute beansprucht, ein Engel aber als Vertheidiger
auftritt. Das Urtheil ist, er soll auf eine zweite Probe gestellt werden, und wenn er diese
besteht, wenn er alles bis auf die Achtung für seine Mitmenschen verliert, wenn er zur
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch