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und geheimen Nationalregierungen als Hauptursache des erlittenen Unglücks ansah. Die
Polemik war zuweilen leidenschaftlich, sie war aber ernst und zog auch ernste Folgen nach
sich. Szujski, der mit seinen „Einigen Wahrheiten" eigentlich den Anstoß gegeben
hatte, führte jetzt seine Ansicht in einer Reihe von weiteren Artikeln („Die Unver-
besserlichen", „Die gewesene Republik und ihre Nachkommen", „Die falsche
Geschichte" u. s. w.) durch, deren Ideen ins Bewußtsein eines großen Theiles der
Nation drangen und eine auf fester Überzeugung fußende Partei ausgebildet haben. In
der Praxis gestalteten sich diese Ideen zu einer Reihe von Forderungen (eventuell
Anträgen), die, unter der Voraussetzung aufrichtiger Treue und Anhänglichkeit an Monarchie
und Herrscherhaus, vor allem eine gesunde Gemeindeordnung und eine tief eingreifende
Reform des Schulwesens anstrebten. Um letztere hat sich Szujski durch seine Anträge und
Reden im Landtag und durch die darauf folgenden Enqueten unvergängliche Verdienste
erworben. Der bereits erreichte, so wie der vor sich gehende Fortschritt in der öffentlichen
Erziehung nähert sich in seinen Hanptzügen dem von ihm entworfenen Programm.
Als Seine Majestät der Kaiser im Jahre 1869 die Eröffnung einer Lehrkanzel für
polnische Geschichte an der Universität Krakau beschloß, wurde der Verfasser der
„Polnischen Geschichte" einstimmig als der entsprechendste Kandidat bezeichnet und
zum ordentlichen Professor dieses Faches ernannt. Man darf sagen, daß die.se Lehrkanzel
und diese Lehrkraft den Beginn einer gänzlichen Wiedergeburt dieser Universität bedeutete.
Als vier Jahre darnach dieselbe Allerhöchste Gunst die seit 1816 existirende Gelehrten-
Gesellschaft in die Akademie der Wissenschaften verwandelte (1873), wurde Szujski zum
Generalsecretär derselben gewählt und neben dem Präsidenten Josef Majer die eigentliche
Seele der neuen Institution.
Es ist hier nicht möglich, alles zu erwähnen, was Szujski geschrieben hat. Seine
zahlreichen literarischen Abhandlungen, seine Novellen, seine Skizzen gesellschaftlicher
Typen müssen wir übergehen, selbst von so bedeutenden Arbeiten, wie die „Literatur
der vorchristlichen Welt" und die „Polen und Rnthenen" (das letztere deutsch
geschrieben), können wir bloß die Titel erwähnen; aber von Szujski, dem Dichter, muß
doch noch ein Wort gesagt werden. Von seiner ersten Jugend bis zum Tode war die Poesie,
namentlich das Drama, sein heißes Begehren, sein Traum. Wenn er je etwas für sich selbst
verlangte, so war es: der polnischen Dichtung zu geben, was sie bis jetzt nicht besaß, das
wirklich große Trauerspiel. Was er nur an Zeit von seiner ungeheueren Arbeit erübrigte,
wurde darauf verwendet. Doch war er zu weise, künstlerisch zu gebildet und beurtheilte sich
selbst zu nüchtern, um seine Dramen als vollständig gelungen anzusehen. Er nannte sie
selbst wiederholt nur Versuche; nur Schritte in der Richtung des großen Ziels, ohne
jedoch dasselbe zu erreichen. Und doch sind die Figuren so scharf charakterifirt, das Pathos
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch