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Vor einigen Jahren wurden die Brochnren und Artikel P a u l Pop ie l s (nach des
Verfassers Tode) gesammelt und herausgegeben. Die politische Literatur wurde auf diese
Weise um einen ganz ausgezeichneten Schriftsteller vermehrt. Paul von Popiel, 1806 zu
Krakau geboren, widmete sich schon als Jüngling mit Ernst und Fleiß den Staatswissen-
schaften. Den Krieg von 1831 hat er als Freiwilliger (gemeiner Soldat) mitgemacht; dann
blieb er auf seinem Landgut, studirte immer, schrieb aber wenig und nur gelegentlich.
Seine Brochuren erschienen meist anonym, seine Artikel im Czas waren nie unterzeichnet,
so daß er als Schriftsteller nur wenig bekannt war. Als er aber nach dem Jahre 1863 gegen
die sogenannten Organisationen seine Stimme erhob, wurde er zwar vielfach bekämpft, doch
auch mehr beachtet und diseutirt. Immer kurz und bündig, berührten seine Schriften nach
und nach alle Fragen der damaligen Zeit. Ohne die Dinge systematisch zu behandeln, war
Popiel in den Staatswissenschaften und der Rechtsphilosophie so systematisch ausgebildet,
wie vielleicht kein anderer seiner Zeitgenossen und politischen Freunde. Eine umfassende
Kenntniß der Geschichte, vor allem der polnischen, und eine treffliche Beurtheilung derselben,
hohe Bildung und feiner Geschmack, große Erfahrung, vor Allem aber der hohe moralische
Standpunkt, der alle seine Schriften wie sein ganzes Leben charakterisirt, bewirkten, daß
sein Ansehen mit den Jahren immer mehr wuchs. Sein Tod erfolgte im Jahre 1892.
Unter den systematischen, echt wissenschaftlich behandelten Werken politischen und
rechtsphilosophischen Inhalts glänzt in erster Reihe Bischof Johann Janiszewskis „Die
Kirche und der christli che S taa t " (Xvseiöl i paüst^vo ckr?eschunslci<z). Der Verfasser,
Suffragan von Posen, als Prediger, Theolog nnd politischer Schriftsteller gleich ausge-
zeichnet, ist kurz nach Vollendung des genannten Werkes, 1891, gestorben.
Von der Tagespresse zu reden, ist nicht möglich; um sie zu beurtheilen, müßte man
alle ihre verschiedenen Tendenzen, mitunter Verirrungen charakterisiren, was ein weit-
läufiges Studium erheischte. Hier sei blos bemerkt, daß nach Moriz Manns Tode
Stanislaw Kozmian dessen Stelle in der Redaction des Czas einnahm. Sein (erstes und
bis jetzt einziges) Buch, kiöee? v kioku 1863 (über das Jahr 1863), in welchem er
die damalige politische Lage Polens und Europas untersucht und die Verantwortlichkeit
aller an den damaligen Ereignissen betheiligten Männer, Parteien oder Regierungen
feststellt, ist die allerneneste bedeutende Erscheinung auf dem Gebiete der politischen
Literatur Polens.
So gestaltete sich die polnische Literatur am Ausgang des XIX. Jahrhunderts. Sie
hat nach allen Richtungen hin bedeutende Fortschritte zu verzeichnen, obwohl sie logisch
eher hätte sinken können. Groß ist ihr Verdienst um die Civilisation des Landes, ihre
Bedeutung in dessen Geschichte. Es darf und soll ihr das Zeugniß ausgestellt werden,
daß sie ihrem Berufe würdig entsprochen hat.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch