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Mannigfaltigkeit seiner Baureste anlockt, trotzdem hervorragende Denkmäler meist fehlen
und die vorhandenen häufig in traurigem Zustande erhalten sind. Bevor Mir daher unsere
eigentliche Aufgabe, die Schilderung der Geschichte der Architektur berühren, wollen wir
in der Einleitung die Holzbaukunst des Volkes charakterisiren, soweit sie aus dem
Umkreis der Ethnographie in die Sphären der Kunst eintritt.
Eine Eigenthümlichkeit der slavischen Stämme und daher auch der hauptsächlich
Galizien bewohnenden Bevölkerung ist der Bau der Wohnsitze aus Holz. Der galizische
Dorfbewohner ist von Haus aus ein guter Zimmermann, und die technische Terminologie
seines Handwerks, sowohl die polnische wie die rnthenische, ist ein alt überliefertes Gnt.
Man kann jedoch das, was der polnische und rnthenische Bauer als Wohnung für seine
Familie und sein liebes Vieh baut, kaum ein architektonisches Werk aus Holz nennen. Es
sind Nothbauten mit Strohdächern, einfach und ohne Stil. Auch die Bauten der am Fuße
der polnischen Tatra wohnenden Bergbewohner, welche, mit Schindeln gedeckt, bereits
zierliche Giebelwände an den Seiten und gewisse zierliche Details am Eingang, an den
Fenstern, an den Balken der Stubendecken n. f. w. zeigen, bieten eigentlich doch nur
ethnographische Eigenthümlichkeiten dar. Obgleich wir also aus dem Umkreis der Architektur
die Bauernhütten ausschließen, so können wir doch nicht umhin, einen gewissen Begriff des
Schönen, das ungemein Malerische zahlreicher im ganzen Lande zerstreuter lateinischer und
rnthenischer Kirchleiu, sowie die Originalität der kleinstädtischen Wohnhäuser mit ihren
Laubengängen anzuerkennen. Denn wenn in dem Bau der Hütten und kleinen Edelhöfe das
Blockhaussystem herrscht, wobei die Föhren- und Lärchenblöcke horizontal gelegt nnd in
Halbbalken an den Ecken und beim Zusammentreffen der Theilwände gebunden werden,
so vereinigt sich doch in den genannten Kirchenbauten dieses unküustlerische System mit
der künstlerischen Eigenthümlichkeit der Holzbaukunst, mit dem Säulen- und zum Theil
dem Rahmensystem.
In der Anordnung des Grundrisses folgen unsere lateinischen Dorfkirchen
den Musteru der gemauerten einschiffigen aus der Schlußepoche der Gothik. Die ältesten
Denkmäler auf dem Abhang der Karpathen kann man nicht früher als in die zweite Hälfte
des XV. Jahrhunderts ansetzen. Gewöhnlich sind sie aus Balken gebaut, das heißt aus
auf beiden Seiten abgesägten, in ein Geschränk verbundenen Lärchbäumen, die von außen
mit senkrechten Brettern verschlagen und mit Leisten oder mit einer Reihe von Schindeln
eingefaßt sind. An der Front sitzt ein viereckiger Glockenthurm, der nach oben dnrch sanfte
Neignng der Wände dünner wird. Oben krönt sie ein Vorsprung nach Art der mittel-
alterlichen Hnrden, beschlagen mit Brettern, deren Abschluß nach unten zierlich in Spießsorm
ausgeschnitten ist. Oberhalb der Bekrönung schießt eine Giebelpyramide hervor oder ein
kugelförmiger Barockabschluß, der mit Schindeln gedeckt ist. Die Fa^ade ist anf diese Weise
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch