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welche mit ihren Werken die nächste Umgebung der Stadt erfüllen, da sie für polnische
Magnatengeschlechter, Städte und Geistlichkeit vollauf beschäftigt wurden.
Die königlichen Paläste auf dem Schloßberge in Krakau und vor Allem ihre
Nordflügel, die der Stadt zugekehrt sind, zeigen in ihren heutigen Resten die älteste Spur
der Thätigkeit der von Sigismund I. berufenen italienischen Architekten. Dieselben erbante
in den Jahren 1509 bis 1516 der Florentiner Francesco della Lore mit italienischen
Gehilfen, wobei er auch einheimische Krakaner Maurer verwendete. Sein Tod unterbricht
die Vollendung, aber zugleich erscheint ein anderer italienischer Meister, Bartolomeo
Berecci, geboren in Val di Pieve, der sich als Florentiner bezeichnet. Er baut im Auftrage
des erwähnten Königs die Sigmundskapelle , die wir als Ausgangspunkt für die
Kirchenbauknnst im Stile der Renaissance in unserer Provinz betrachten müssen. Erbaut
wurde sie zwischen 1518 und 1530 und im letzteren Jahre eingeweiht.
Die Sigmundskapelle, ein in sich abgeschlossenes Meisterwerk, an die südliche
Wand der alten gothischen Kathedrale angelehnt, repräsentirt sich als ein durch ihren
wunderbaren Organismus und ihre herrliche Decoration berühmter Quaderbau, der mit
einer vergoldeten Kuppel abgeschlossen ist, welche von einer schönen Laterne, die der ersten
italienischen Meister würdig wäre, gekrönt wird. Trotz ursprünglicher Einfachheit erhaben,
von außen dnrch die Harmonie der Verhältnisse und durch die Belebung der Wände mit
einem Apparat dorischer Pilaster und Gesimse, mit zierlicher Bedachung der Fenster- und
Thürchambramen unter der Kuppel ausgezeichnet, entwickelt sie die ganze Schönheit und
den Reichthum delicater Zierrathe in ihrem wundervollen Innern. In dem Rahmen der
durch Pilaster getheilten Wände, den Nischen mit Marmorgrabmälern der Jagellonen,
dem silbernen Altar mit dem Königsthron entwickelt sich ein Aufwand unvergleichlicher
Phantasie von in Stein gehauenen Arabesken, Medaillons und Nischen mit Marmorstatuen
der Heiligen. Die Bronze kommt ins Spiel; das Innere der Kuppel wird cassetirt, die
Casseten sind mit schönen Rosetten geschmückt. Ein herrliches Bronzegitter, ein Gußwerk
des königlichen Meisters Servatius schließt den Eingang in die Kapelle von der Kirchen-
seite ab.
Zum ersten Male fällt der Blick der Stadtbevölkerung in diesen nördlichen Gegenden
auf die unbekannte Schönheit italienischer Kunst; der Meißel entfällt den Händen der
zünftigen Krakauer Steinmetze, die in den Vorschriften der Gothik verknöchert waren.
Man darf sich daher nicht wundern, daß diese Kapelle als Muster für die im Laufe
des XVI. Jahrhunderts am Wawel erbauten bischöflichen Grabkapellen galt. Nach
ihrem Muster entsteht am Ende desselben Jahrhunderts die Kapelle des heiligen
Hyacinth bei den Krakauer Dominicanern, deren Wände durch Pilaster mit ornamentalen
Füllungen und mit Nischen für Statuen geschmückt sind. Das XVII. Jahrhundert copirt
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch