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Der Bau der Jesuitenkirche in Lemberg, im Jahre 1630 vollendet, eröffnet der
Kirchenbaukunst neue Wege, indem er die Architekten nöthigt, sich strenger an die anderwärts
herrschende Stiltendenz im Gebrauche von reicher Stuccatur und überladener Plastik
zu halten.
Während auf dem Schloßberge in Krakau schon herrliche Renaissancepaläste, wie die
königliche Wohnstätte des hochsinnigen Sigmund I., erglänzten, wartete die Stadt Krakau
noch ziemlich lange, bis ihre mittelalterlichen Häuser mit ihren Giebeln und hohen Dächern
das Kleid des neuen Stiles annahmen. Er tritt in einer Reihe architektonischer Details der
Profanbaukunst anf, indem Krakauer Steinmetze zunächst zierliche gothische Fenster und
Öffnungen mit Renaissancegesimsen, die sie den italienischen Ankömmlingen nachmachten,
versehen.
Vollständig erhaltene Denkmäler, welche von dieser architektonischen Bewegung ein
lebendiges Zeugniß ablegen würden, gibt es vor der Mitte des XVI. Jahrhunderts in
Krakau nicht. Es sind nur interessante Details an einigen Gebäuden übrig geblieben, und
zwar an den Häusern der Domherrngasse, vor Allem aber an der früher erwähnten, in der
gothischen Periode erstandenen Krakauer Sukieuuice. Sie bringen jetzt ein bisher unbekanntes
Motiv, das den Renaissancebauten in den polnischen Ländern so eigenthümlich ist, nämlich
die sogenannte Attika, welche die horizontale Hauptgcsimsliuic aufhebt, die Dächer maskirt
und einen zierlichen Kranz hervorbringt.
Die Attika der Sukiennice wurde im Jahre 1557 nach dem Brande dieses mittel-
alterlichen Gebäudes erbaut, ganz nach dem Entwnrse des italienischen, in Krakau
angesiedelten Architekten und Bildhauers Johann Maria Padovano. Auf den alten
gothischen Mauern errichtete er eine Wand, die er mit durch Liseuen getrennten Flachnischen
versah, mit Ziegelimposten schmückte und mit einem Gesimse abschloß, das ununterbrochen
eine Reihe von Stylobaten mit Masken als Ornament krönt und sie untereinander mit
gebogenen Carniesen verbindet. Die Flachnischen erhielten fignrale Malereien, die Ziegel
wurden getüncht. Nach diesem System bildete er auch Vorgiebel der Dächer.
Nach dem Beispiel der Sukiennice folgt jetzt eine allgemeine Anwendung solcher
Attikeu, welche die Dächer der Wohnhäuser, Rathhäuser, Edelhöfe, Klostergebäude, jüdischen
Synagogen u. s. w. verbergen. Das wird dann anf Herrenschlösser übertragen und gehört
zur Charakteristik der Renaissance in Krakau, am Fuße der Karpathen wie in Rnthenien,
bis ans Ende des XVII. Jahrhunderts.
Überbleibsel findet man noch an der Krakauer Burg. Eine solche Attika haben das
Rathhaus in Taruöw, der alte Schloßhof in Szymbark, die Bastei in Nowy Sycz, die
Schlösser in Baranöw und Krasiczyn, die Synagogen in Zötkiew, in Beiz, in Krystynopol
und sie verirrte sich sogar in das Schloß von Stare Sioio bei Lemberg und in das Schloß
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch