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dem Leben Christi und verdient besonders deshalb Beachtung, weil er in der Gestalt
eines der drei Könige das Bildniß des Königs Ladislaus Jagietto, des Gründers der
jagellcmischen Dynastie ausweist. Endlich besitzen wir in der St. Kathariuenkirche das
ausgeprägteste Werk, das uach unserem Dafürhalten ebenfalls ans der Krakauer Zunft
hervorgegangen ist: einen großen, aus den ersten Jahren des XVI. Jahrhunderts
stammenden, dem heiligen Johannes dein Almosenspender geweihten Altar mit einer großen
Anzahl von Bildern auf den auf beiden Seiten bemalten Flügeln, der mit der kräftigen
Charakteristik seiner Figuren und seinem lebhaften, zum Goldgrund gestimmten Colorit zu
den besten Schöpfungen der Krakauer Malerei jener Zeit gehört.
Wenn man auch in jüngster Zeit mit Recht dem flandrischen Einfluß auf die
gesammte Malerei des Nordens nicht mehr die große Bedeutung beimißt wie früher, so
ist doch bei den erwähnten Werken die Annahme eines solchen Einflusses nicht unbedingt
zu verwerfen. Die Stadt Krakau stand ebenso wie die anderen Hansestädte durch ihre
Kaufleute mit Flandern in Berührung. Ja , noch mehr, ebenso wie nach Lübeck
und Danzig, wurden anch uach Krakau und seiner nahen Umgebung flandrische
Gemälde aus Gent und Brügge verschrieben. Zu Ende des XV. Jahrhunderts bestellte
Jakob Szydtowiecki, einer der Würdenträger am Hofe der Jagelloueu, Bilder aus
Flandern zur Ausschmückung der Altäre in den von ihm gestifteten Kirchen. So können
diese Bilder allein schon auf manchen der Krakauer Maler Einfluß ausgeübt haben,
abgesehen davon, daß in einzelnen Fällen einer oder der andere der Malerlehrlinge nach dem
Freispruch seines Herrn die pflichtmäßige Wanderschaft nach dem fernen Flandern unter-
nommen haben mag. Am auffallendsten scheint sich dieser Einfluß in jenem Bilde des
fürstlich Czartoryski'scheu Museums zu zeigen, das mit dem Monogramm A. G. und dem
Datum l517 versehen ist und aus der uun abgetragenen Kirche des heiligen Michael auf
dem Wawel stammt.
Allein nicht nur die fernere oder nähere Verwandtschaft mit der Nürnberger Schule
oder der flandrischen Malerei ist es, was uns bei den Krakauer Malern auffällt; es gibt
unter den von uns erwähnten und sonstigen Gemälden auch solche, in welchen der schwäbische
Charakter vorherrscht. Das Krakauer National-Mnsenm besitzt ein Gemälde — die
sogenannte „heilige Sippe" — mit blassem Fleischton, langgezogenen Gesichtszügen und
Inschriften tragenden, flatternden Bandrollen, deren Charakter die untrüglichsten Merkmale
schwäbischer Schule trägt. Da jedoch Leute aus den verschiedensten Gegenden Deutsch-
lands zu verschiedenen Zeiten nach Krakau und anderen Städten Galiziens einwanderten,
wie dies die städtischen Bücher nachweisen, so kann es gar nicht Wunder nehmen, daß sich,
bei einein Überblick über die ganze Hinterlassenschaft mittelalterlicher Malerei außer de»
angedeuteten auch noch die verschiedensten anderen Richtungen vorfinden.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch