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Westens oder solchen, die unter dem Einfluß der westlichen Cultur standen, gleichzeitig
rnthenische Maler Wandgemälde im byzantinischen Stil ausführten, wovon wir später
eingehender sprechen werden, so erschließt sich vor unseren Augen ein reiches und in der
Verschiedenartigkeit seiner Elemente sehr interessantes nnd farbenreiches Bild, das höchst
charakteristisch ist für diese Stadt und dieses Centrum an der Grenzscheide östlicher und
westlicher Cultur.
Mit der Malerei ist in der Organisation der mittelalterlichen Zünfte die Holzschnitzerei
enge verbunden. Der bedeutendste ihrer Repräsentanten ist Veit S toß , unzweifelhaft der
größte Künstler, welchen Krakau in jenen Zeiten besessen hat. Der bedeutendste Abschnitt
seines Lebens, von der Mitte des XV. Jahrhunderts an, wenigstens von 1464 bis 1496,
fällt mit seinem Aufenthalt und seiner Thätigkeit in Krakau zusammen. Er gehört zu den
zahlreichen Malern und Schnitzern, die damals aus Nürnberg hierher kamen. Hier
verheiratete er sich, hier ließ er sich nieder und hier ließ er, nach seiner Vaterstadt zurück-
kehrend, wo ihn eine so tragische Katastrophe ereilen sollte, seine Familie zurück. Er war
eine mächtige Individualität, von seltener Vielseitigkeit und beherrschte ebenso wie andere
große Meister jener Zeit alle Techniken, welche mit seiner speciellen Kunst in näherem
oder fernerem Znsammenhange standen. Nicht blos Bildschnitzer, sondern auch Maler,
Holzschneider, Architekt und Ingenieur, aller Wahrscheinlichkeit nach anch Goldschmied
und jedenfalls Bronzegießer, drückte er mit seinem unruhigen, hartnäckigen, habsüchtigen
nnd rücksichtslosen Charakter, aber auch mit seinem leidenschaftlich heftigen Temperament,
seiner Beweglichkeit und rastlosen Thätigkeit dem Kunstleben Krakan's und infolge dessen
anch des ganzen Landes am Ende des XV. Jahrhunderts ein unverwischbares Gepräge
auf. Nicht Zartheit und Anmnth, sondern ein Zug zum Naturalismus, Kraft und Energie
im Nachbilden der Natnr mit allen ihren Zufälligkeiten, bei einer gewissen Unruhe und
Neigung zur Manierirtheit und zum Barocken, welches die sinkende Gothik kennzeichnet,
zum Dramatischen nnd Pathetischen — das sind die hervorragendsten Merkmale seines
großen Talents.
Der berühmte Altar der Marienkirche, welcher zu den größten Werken dieser Gattung
gehört und zwischen 1477 und 1481 ausgeführt wurde, stellt in nahezn lebensgroßen
Figuren die Himmelfahrt oder vielmehr das Entschlummern Mariä inmitten der Apostel
dar, während die heilige Dreifaltigkeit mit der Krönung Marias darüber in den gothischen
Fialen schwebt. Der Altar hat doppelte Flügel, auf welchen in Schnitzarbeit Vorgänge aus
dem Leben Jesu und Mariä, sowie eine Predella, auf welcher der Baum des Jefse dar-
gestellt ist. Die reiche Polychromie, der verschwenderische Gebrauch vou Gold und Laznrfarbe
erhöhen noch den Eindruck dieses ungewöhnlichen Werkes. Während in dem verwandten Altare
Pachers zn St.Wolfgang vor Allein die Gestalt Maria's voll Süßigkeit und weiblichem Reiz,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch