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Waffe schmückt. Daß die Goldschmiedekunst einst in Pplen und insbesondere auf dem
jetzigen galizischen Gebiete hoch entwickelt war, dies bezeugen unzählige einheimische und
fremde Schriftquellen, wenngleich alte Denkmale dieser Kunst bis auf die wenigsten
Ausnahmen verloren gingen. Was uns Bernardo Bongiovani, Bischof von Camerino,
über den märchenhaft reichen Privatschatz des Königs Sigismund August zu erzählen weiß,
welcher prachtvolle, meisterhaft gefaßte Edelsteine und Kleinode, kunstvoll getriebene,
emaillirte und mit allen anderen Mitteln der Technik ausgestattete Gefäße, Gerätschaften,
Waffen und dergleichen in einer Menge und künstlerischen Auswahl enthielt, wie sie keiner
der prachtliebenden und kunstsinnigen Höfe Italiens aufzuweisen im Stande wäre, das
könnte man in nicht allzusehr reducirtem Maße von dem Besitze vieler Kirchen und
Magnatenhäuser wiederholen, deren Schatzinventarien auf uns gekommen sind. Unzählige
Kriegscontributionen haben diese Schätze verschlungen, und was nicht in Feindeshand
gerieth, ging zu verschiedenen Zeiten als opferwillige patriotische Gabe in die Münze. Der
Rest wurde in der Zeit des verdumpsten Kunstsinnes und der unseligen, wahrhaft
vandalischen Neuerungssucht umgeschmolzen, und die Raubzüge ausländischer Kunst-
schacherer und Antiquitätenhyänen haben zur Verschleppung des Werthvollsten reichlich
beigetragen. Was wie durch ein Wunder bis auf unsere Zeit geblieben, ist sozusagen das
Allerletzte, der Rest der Reste, und dennoch gibt es noch hinreichenden Begriff von der
unermeßlichen Fülle der Kunstschätze in Edelmetall, die auf dem Gebiete des ehemaligen
Polenreiches aufgespeichert waren. Wie viel von diesen goldenen und silbernen vasis
saoi'is (heiligen Gesäßen), von diesen kunstvoll getriebenen, gegossenen, ciselirten, emaillirten,
niellirten, gravirten Geräthschasten, von denen uns die ältesten Inventarien berichten, den
fremden, wie viel den einheimischen Meistern zuzuschreiben ist, läßt sich schwer ermitteln
— gewiß bleibt es dennoch, daß neben den deutschen und italienischen Meistern auch die
inländischen zahlreich vertreten waren. Dies bezeugen mehrere noch erhaltene Meisterwerke
der Goldschmiedekunst aus der romanischen und gothischen Epoche, welche ausdrücklich als
polnische Arbeiten bezeichnet sind, wie beispielsweise die sogenannte heilige Sigmundskrone
im Dome von Plock, ein Werk des Stanislaus Zemetka, aurikader p lveens is , aus
dem Ende des XIV. Jahrhunderts, oder das Reliqniar des heiligen S t a n i s l a u s
in dem Krakauer Domschatz, mit herrlich modellirten und ausgeführten Scenen aus dem
Leben des heiligen Bischofs, eine meisterhafte Arbeit des Krakauer Goldschmieds Martin
Marciniee (1500) und dergleichen.
Wie in der großen Kunst und in allen Kleinkünsten, war auch in der Goldschmiede-
kunst bis znm X VI. Jahrhundert der deutsche Einfluß ausschließlich maßgebend; namentlich
waren es Nürnberger Meister, welche nachgeahmt wurden, wenn auch gleichzeitig sich
Eiuwirkuugeu der siebeubürgischen nnd der ungarischen Technik und Decorationsweise hier
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch