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Landesausstellung viel bemerkt wurde, ist eine Breslauer Arbeit, aber gleichzeitig sahen
wir hier die schönsten Kronleuchter aus Messing, von stil- und schwungvoller Zeichnung
und sehr sauberer Ausführung, mit den Wappen Lemberger Patrizierfamilien des
XVI. Jahrhunderts geschmückt, welche unstreitig localer Abkunft sind. Nach sehr langer
Erstarrung ist in der letzten Zeit die Metall-Kunstindustrie Galiziens zu neuem Leben
erwacht; die Bronzc-Kunstindustrie hat sich merklich gehoben und sowohl in künstlerischer,
als in technischer Richtung erhebliche Fortschritte gemacht. In Lemberg, Krakau, Przemysl
und vieleu anderen größeren Städten des Landes bestehen leistungsfähige Bronzewerk-
stätten, welche den Kirchenbedarf mit recht guten, stilgerechten Arbeiten zu. versehen im
Stande sind. Die größten Fortschritte aber hat die Kunstschlosserei auszuweisen. Seit
dem Erwachen der Baulust ist sie in rascher, vielverheißender Entwicklung begriffen und
zahlreiche neu erstehende Monumentalbauten haben ihr die so lange vermißte Gelegenheit
geboten, sich iu den schönsten Aufgaben zu versuchen. Die neuen Prachtbauten Lembergs
und Krakan's, wie z. B. die neue Universität, das Landhaus, die Spareasse, die Staats-
bahnpaläste n. s. w. weisen vortreffliches, mit meisterhafter Beherrschung des Materials
geschmiedetes Gitterwerk auf, und in der Landesausstellung vom Jahre 1894 waren
große Gitterthore, Oberlichte, Thürbeschläge, Hängeleuchter, Flur- und Grablatcrnen,
Fackelträger n. s. w. zu sehen, deren stilgerechte Ausführung das Keunerauge erfreute.
Nach den zahlreichen herrlichen Denkmalen zu urtheilen, die in den Kirchen, Palästen,
öffentlichen und Privatsammlungen Galiziens erhalten sind, stand einst die einheimische
Kunsttischlerei auf hoher Stufe der Entwicklung. Die prächtigen Chorgestühle m der
Corpus Christi Kirche zu Krakau, in den Bernhardinerkirchen zu Lemberg und Lezajsk,
in der Kirche zu Bieez und an vielen anderen Orten, vereinigen in ihrer Ausführung alle
technischen und künstlerischen Mittel, deren sich je die Kunsttischlern bediente, um ihre
schönsten Erfolge zu feiern: die Schnitzerei, die Intarsia, die Polychromie. Die noch
erhaltenen alterthümlichen Möbel, Schränke, Truhen, Pulte, Eassetten und dergleichen, der
Mehrzahl nach einheimischer Arbeit, wenn auch vieles davon aus den berühmten Tischlerei-
werkstätten des zu Poleu gehörigen Danzigs herstammt, dann die sehr reichen, mit fast
überschäumender Üppigkeit geschnitzten Barockeinrahmungen der rnthenischen Ikonostasen,
auch alte Bertäselungen und Zimmerdecken, von denen leider die wenigsten der Vernichtung
oder Verstümmelung entgingen, liefern nebst den auch allmälig zur Geltung kommenden,
in der Fachschule zu Zakopane gepflegten Tatramotiven und neben den naiven, originellen
rnthenischen Bauernornamenten eine solche Fülle der schätzenswerthesten Anregungen,
daß die in neuerer Zeit der Höhe eines Kunstgewerbes entgegenstrebende Holz-Kunst-
industrie Galiziens nur aus diesem Schatze zu schöpfen braucht, um im Anschlüsse an die
traditionell-volksthümliche Richtung ihre Kunstformen eigenartig zu entwickeln.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Band 19
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Galizien
- Band
- 19
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.48 x 22.34 cm
- Seiten
- 920
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch