Seite - 55 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bukowina, Band 20
Bild der Seite - 55 -
Text der Seite - 55 -
55
die erste Hälfte des ersten Jahrtausends v. Chr. hinein. In ihrem Gebiete und im ganzen
Norden Europas ist das Eisen viel später in Ausnahme gekommen, als etwa in den Ost-
alpen und den Voralpenländern, wo sich schon vom Beginne des Jahrtausends an die
Hallstatt-Cultur unter reichlicher Anwendung des Eisens entwickelte. Deswegen kann auch
in jenen Gegenden der reicheren Bronzeentwicklung nicht von einem eigentlichen Auftreten
der Hallstatt-Cultur, sondern nur von einem sozusagen erratischen Vorkommen vereinzelter
Hallstatt-Formen gesprochen werden. Die Bukowina hat bisher noch kein einziges specifisch
Hallstättisches Fuudstück aufzuweisen.
Für unser Land kommen gegen die Mitte des Jahrtausends die südöstlichen Cultur-
einflüsse in Betracht. Die große skythische Völkerfamilie, welche die fruchtbaren Ebenen
im Norden des Pontns Euxinus bewohnte und sicherlich einen ihrer Zweige bis an die
Abhänge der Karpathen vorstreckte, hat uns in den riesigen Grabhügeln Südrußlands
zahlreiche und zum Theil sehr kostbare Belege seiner eigenartigen, reich von der griechischen
Kunst übergoldeten Cultur hinterlassen. Ein schwacher Abglanz davon ist gewiß in unser
Buchenland gedrungen. Ein im Lande gefundener Bronzespiegel sowie die in einem mit
Bruchsteinen umbauten Grabe bei Satnlmare gefundenen zwei- und dreiflügeligen Bronze-
pfeilspitzen können als Anzeichen dafür in Anspruch genommen werden. Auch die in den
Grabhügeln von Hliboka gefundenen Thongefäße, darunter einige sehr schlanke Amphoren,
sind wohl als ärmliche Ableger der Pontischen Töpferkunst zu betrachten. Die unsicheren
Nachrichten über frühere seither leider verschollene archäologische Funde verrathen, daß
hin und wieder auch reichere Gaben den Grabhügeln jener Zeit anvertraut worden waren.
In Stesanovka am Dniestr sind gelegentlich einer größeren Erdabgrabnng zwei
charakteristische Mittel-1-u I'sne-Fuudstücke gesammelt worden: eine schöne Bronze-
sibula und ein Armring aus blauem Glase. Wahrscheinlich rühren sie aus einem Grabe
her. Diese Stücke datiren aus dem zweiten Jahrhunderte vor Christi, um welche Zeit sich
diese „keltischen" Typen die Herrschaft über den größten Theil Europa's erobert hatten.
Der Ostfuß der Karpathen war damals von den Bastarnen besiedelt, dem ersten
germanischen Volke, welches auf dem Schauplatze der Geschichte erscheint, da es im Jahre
175 vor Christi auf Anstiften des Königs Perfens von Makedonien die Dardaner im
Herzen der Balkanhalbinsel angreift, um sich einen Weg nach Italien zu bahnen. Dieser
Ansturm mißlingt, nnd 169 stellt es dann dem Könige Persens 20.000 Mann Bundes-
genossen gegen die Römer. Gerade aus dieser bedeutenden Zeit mögen die bei Stesanöwka
gefundenen Schmuckstücke stammen. Die Bastarnen haben von da an durch mehr als vier
Jahrhunderte au verschiedenen Angriffen gegen das römische Reich theilgenommen, bis
Kaiser Probus 100.000 Mann ihres Volkes ins römische Gebiet verpflanzte, wo ihr
Name verschwindet.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch