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Die Erwerbung dieses Landstriches behielt der Staatskanzler Fürst Kaunitz auch
noch dann im Auge, als sich durch den weiteren Verlauf des Krieges sowie durch die
Theilung Polens die Umstände derart änderten, daß Österreich die übernommenen
Verpflichtungen nicht mehr erfüllen konnte. Er schlug vor, der Pforte für denselben fünf
bis sechs Millionen Gulden anzubieten. Dadurch, meinte er, würde ihr die Möglichkeit
gewährt, sich billigere Friedensbedingungen von Rußland zu erkaufen.
Gegen diesen Vorschlag sprach sich jedoch Kaiser Josef ganz entschieden aus, denn
ihm schien die kleine Walachei keines solchen Geldopfers werth. Nur mit Widerstreben
stimmte er schließlich dem Projekte des Staatskanzlers zu. Dasselbe sollte übrigens gar
nicht zur Ausführung kommen; es scheiterte an dem von Rußland im März 1773 an die
Pforte gerichteten Ultimatum, das jede Entschädigungsforderung in Geld auszuschließen
schien. Da trat der Kaiser mit einem anderen Plane hervor.
Die Wahrnehmungen, die Josef II. auf seiner Reise durch Siebenbürgen im
Sommer 1773 machte, bestärkten ihn noch mehr in seiner Meinung von dem geringen
Nutzen der kleinen Walachei. Ebenso belanglos erschien ihm das bei der Bildung des
siebenbürgischen Cordons wiederbesetzte walachische Gebiet. Dagegen stellte sich ihm ein
anderer Streifen türkischen Landes, die Nordspitze des Fürstenthums Moldau, d. i. die
heutige Bukowina, nicht nur als eine entsprechende Grenzabrundnng, sondern auch als
eine besonders in militärischer Hinsicht willkommene Verbindung zwischen Siebenbürgen
und dem neu gewonnenen Galizien dar. Dieser Landstrich, schrieb er am 19. Juni 1773
von Szäsz-Rigen seiner Mutter, sei mindestens so viel werth als die kleine Walachei
und ohne Zweifel durch die Zurückstellung der Siebenbürgen einverleibten walachischen
Gebietstheile von der Pforte zu erlangen. Er bat schließlich, diese Angelegenheit vom
Fürsten Kaunitz in Erwägnng ziehen zu lassen.
Bei der Anregung zur Erwerbung der Bukowina ließ es jedoch der Kaiser nicht
bewenden; mit gewohntem Feuereifer begann er sofort an ihrer Verwirklichung zu arbeiten.
Noch von Rodna ans schickte er den Obersten des zweiten walachischen Infanterieregiments,
Karl Freiherrn von Enzenberg, mit einem Osficier und zwei Unterofficieren zur
Recoguoseirung in die obere Moldau ab. Sie sollten über fünf Punkte Auskunft bringen:
über die Möglichkeit der Anlegung einer gut fahrbaren Straße aus Siebenbürgen nach
Galizien, dann über die Ausdehnung der Besitzergreifung mit Rücksicht auf die Gewinnung
einer leicht zu vertheidigenden Grenzlinie, ferner über die Beschaffenheit des zu besetzenden
Gebietes sowie über dessen Werth für die Monarchie, endlich über die eventuelle Haltung
der Bevölkerung im Falle des Herrschaftswechsels.
Wie oft mochte der Kaiser auf seiner weiteren Reise zumal bei dem großen Umwege,
den er, um Ostgalizien zu erreichen, machen mußte, an sein Project erinnert worden sein!
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch