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Jsprawnikamt (ersteres in Czernowitz, letzteres in Snczawa), nicht auf Lebenszeit, sondern
auf zwei oder drei Jahre verliehen oder vielmehr an den Meistbietenden verhandelt.
Kein Wunder, daß diese Leute nicht nur das für das Amt ausgelegte Geld sobald als
möglich hereinzubringen, sondern sich auch noch obendrein auf Kosten der Bevölkernng
zu bereichern suchten.
Die Steuern waren mannigfach und lasteten hauptsächlich auf dem ärmeren Theil
des Volkes. Von der wichtigsten Steuer, dem Tribute, waren der höhere Adel und die
Klostergeistlichkeit sogar ganz befreit. In Hinsicht auf die Rechtspflege genügt es zu
erwähnen, daß alle Processe ohne Advocaten, ohne Beisitzer, ohne Protokolle, bloß nach
der natürlichen Einsicht und der Willkür des Richters durchgeführt und entschieden wurden.
Von der Polizei waren nicht einmal die Anfänge zu finden. Im ganzen Lande gab es
keinen Arzt und keine Apotheke. Nirgends war man seines Eigenthums und seines Lebens
sicher, da die zerstreut und einsam lebenden Bewohner aus Furcht vor Mißhandlung und
Mord dem räuberischen Gesindel allzeit Unterkunft gewährten. Die wenigen Landstraßen
waren dergestalt vernachlässigt, daß die Reisenden alle Augenblicke in Morästen stecken
blieben. Da es auch keine Brücken gab, mußte man zur Zeit des Regenwetters an
Bächen und Flüssen warten, bis das Wasser sich verlausen hatte. Dieselbe Fahrlässigkeit,
die auf dem Lande überall in die Augen sprang, herrschte auch in den Städten. Nirgends
waren Vorsichtsmaßregeln gegen Feuersbrunst, nirgends ordentliches Maß und Gewicht,
nirgends Reinlichkeit, noch etwas, was den Aufschwung einer Stadt befördert, zu erblicken.
Daß unter solchen Umständen auch die geistige Cultur der Bewohner auf der tiefsten
Stufe stand, ist selbstverständlich. Es gab zwar einige Klosterschulen (in Putua, Radautz
und Suczawa), sie hatten jedoch nur den Zweck, den Candidaten des geistlichen Standes
die zur Verrichtung der gottesdienstlichen Handlungen unumgänglich nöthigen Kenntnisse
beizubringen. Die große Masse des Volkes wuchs ohne jeden Unterricht auf. Und wie das
Schul-, so lag auch das Kirchenwesen sehr im Argen. Wenn schon das äußere Gefüge der
Landeskirche — es reichte einerseits die Radautzer Diöcese weit in das moldauische
Fürstenthum hinein, während anderseits nicht nur viele Seelsorgestationen, sondern auch
alle Bukowiner Klöster dem Erzbischofe von Jassy direct unterworfen waren — große
Übelstände zeitigte, so mußte die trostlose materielle Lage, in welcher die Mehrzahl der
Geistlichen sich befand, deren geistige und sittliche Verwahrlosung zur Folge haben. Die
Popen (Pfarrer) und Diakonen hatten weder Pfründen noch feste Stolgebühren; sie lebten
darum theils von dem Grundbesitz, den sie unter denselben Bedingungen wie die Bauern
innehatten, theils von freiwilligen Geschenken, welche sie dem leichtgläubigen Volke durch
Versprechungen oder Drohungen abzulocken wußten. Ebenso mußten die zahlreichen
Mönche — das kleine Ländchen zählte 26 Mönchs- und 3 Frauenklöster mit über
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch