Seite - 192 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bukowina, Band 20
Bild der Seite - 192 -
Text der Seite - 192 -
192
Stellung gegenüber dein moldauischen Fürsten ein. Diese gesellschaftlichen Classen haben sich
bis jetzt erhalten, jedoch mit dem Unterschiede, daß die ehemaligen Grundarbeiter grund-
besitzende freie Bauern (teraru) geworden sind und die Einwohner des Kimpolnnger
Bezirkes infolge eines langwierigen Processes von ihrem Territorium viel eingebüßt haben.
Die Rumänen der Bukowina sind aufgeweckten Geistes, edel gesinnt, religiös und
von einer an Fatalismus streifenden Ergebung in die göttliche Vorsehung, daher ihr Spruch:
„ce'mi-a ü scris, mi s'a si lntsinpla! — Was mir beschieden ist, wird mich auch treffen!" In
der angestammten orthodox-orientalischen Kirche sieht der Rumäne eine göttliche Anstalt,
in den Priestern derselben nicht nur Diener Gottes und Verkünder seines beseligenden
Willens, sondern auch göttliche Richter über die Handlungen des Menschen, die mit unum-
schränkter Macht der Lossprechung und der Verdammung versehen sind; deswegen begegnet
er ihnen mit Ehrfurcht und mit blindem Vertrauen in allen das Seelenheil betreffenden
Dingen. Die Rumänen halten zähe an dem väterlichen Glauben und an den altehrwürdigen
Gebräuchen und lassen sich von diesen nicht leicht abwendig machen. Bis zur Scrupulosität
ehrenhaft, brechen sie das gegebene Wort nicht, auch wenn sie sich damit übereilt hätten,
denn sie sagen sich stets: „pe uncke ese euvsntul, sse si sullstul! — Auf demselben
Wege, auf dem das Wort entflieht, entflieht auch die Seele!" Ein Handschlag zur
Bekräftigung ihrer Aussage gilt ihnen wie ein förmlicher Eid. Anch sind sie ungemein
empfindlich und vergessen es nie, wenn man sie unzart oder ungerecht behandelt, dagegen
sind sie hingebungsvoll und verläßlich, wenn man ihnen mit Vertrauen und rücksichtsvoll
begegnet. Sie sind friedliebend und lassen eher von ihrem Rechte etwas nach, als daß sie
in Hader und Streit gerietheu, eingedenk des Satzes: ,mai dine tmä'tl poala si ku^i,
ckecüt sä ts pui eu el in poarä, suü sa kubl cu ckinsul m elin si in müneeä! — Es ist
besser den Saum des Gewandes abzuschneiden nnd ihm zu überlassen, als mit ihm weiter
zu thun zu haben!" Geschieht ihnen aber Unrecht, oder werden sie in dem, was sie für
hoch und unantastbar halten, verletzt, so vertheidigen sie mannhaft diese theueren Güter.
Die Sitten der Rumänen in der Bukowina sind durchwegs rein, nur in den Gegenden,
wo viele Schaukhäufer sich befinden, lassen sie manches zu wünschen übrig. Der Rumäne
ist überaus gastfreundlich und vou zuvorkommendem Benehmen gegen Jedermann. Er
betrachtet jeden, auch den Fremdling oder den Andersgläubigen, als seinen Nächsten nnd
hilft ihm jederzeit, auch wenn er darum nicht ersucht wird, ohne Entlohnung, denn er sagt:
»vumneäeü stie si'rm va aMä si inis! --- Gott weiß es und wird auch mir helfen."
Der Rumäne ist überhaupt mehr ein Gemüthsmensch; er hält alle für ebenso aufrichtig und
wohlwollend wie er selbst ist, was ihm viele, bittere Enttäuschungen gebracht hat.
Die Rumänen achten jede Autorität; sie anerkennen diese leicht uud unterwerfen sich ihr
anch dann, wenn sie fühlen, daß ihnen Unrecht geschieht; sie thnn das in dem festen Glauben,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch