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will er durchaus nicht irgend eine Autorität als solche verletzt wissen, denn seine Miß-
stimmung richtet sich nicht gegen die Autorität, sondern nur gegen diejenigen, von denen
er glaubt, daß sie dieselbe zu unlauteren Sonderzwecken gebrauchen.
Der Rumäne hegt eine tief eingewurzelte Liebe zum väterlichen Hause und ange-
stammten Erbgute, sowie zu seinem Geburtsorte und zu seinein engeren Heimatlande, Jeder
zieht es vor, dort zu leben und zu sterben, wo er das Licht der Welt erblickt hat. Aus
diesem Grunde trifft es sich mir selten, daß ein Bursche oder ein Mädchen durch Heirat den
Geburtsort verläßt; sonst findet Auswanderung bloß bei schweren Unglücksfällen statt,
die man nur auf diese Art beseitigen zu können glaubt.
Der Beruf des Vaters vererbt sich regelmäßig in der Familie. Dies führte zu einer
starren Routine in der Ausübung desselben und zu einem eingewurzelten Mißtrauen, ja
einer fast unüberwindlichen Abneigung gegen jedwede Abweichung von der hergebrachten
Art und Weise und somit gegen jede Neuerung, wenn sie auch noch so zeitgemäß und
nothwendig wäre. Dieser Charakterzug hat der rumänischen Bevölkerung manchen
schweren Nachtheil verursacht. Die von derselben betriebenen Gewerbe konnten daher
keinen Aufschwung nehmen und fremde Conenrrenz nicht bestehen. Selbst ein Theil der
Großgrundbesitzer, gewöhnt von der Arbeitskraft der auf ihren Gütern ansässigen Frohn-
leute sorgenlos zu leben, waren trotz ihrer höheren geistigen Bildung nicht in der Lage,
ihre Besitzungen selbst zu verwalten und viele derselben sahen sich, als man die Bauern
gegen Entschädigung emaneipirte, genöthigt, ihre Güter an eingewanderte Fremdlinge zu
veräußern. Erst in der neuesten Zeit, seit die Volksbildung einen höheren Aufschwung
genommen, findet man Kinder, die aus eigener Vorliebe oder auf Anrathen ihrer Eltern
andere Berufszweige wählen; besonders die Bauernsöhne, die nicht mehr Grundwirte sein
wollen, beginnen jetzt, sich dem Handwerke oder einem Gewerbe zu widmen, oder sie streben
noch lieber, in den geistlichen, Lehr- oder Beamtenstand zu treten.
Der rumänische Landmann ist in seinem häuslichen Leben einfach, aber reinlich
eingerichtet. Sein Haus ist aus Holz gebaut und gegenwärtig fast überall mit Schindeln
gedeckt; es gibt aber auch noch mit Kornstroh (jupl) gedeckte Häuser, weil diese Art der
Bedachung sehr dauerhaft ist, und weil dieses Stroh bei Futtermangel auch als Viehfutter
benutzt wird. Das Haus ist stets mit der Front gegen Süden gerichtet und durch ein
Vorhaus (tincla) in zwei ungleiche Theile getheilt. Links vom Vorhause, in dem kleineren
westlichen Theile, befindet sich ein als Küche und Schlafgemach eingerichtetes und mit zwei
Fenstern versehenes Zimmer, von denen das eine in der Frontseite, das andere in der West-
wand angebracht ist. Hinter diesem in der Regel einzigen Zimmer in diesem Theile des
Hauses, befindet sich hie und da noch eine kleine Speisekammer (eämarä) mit dem
Eingange aus dem Vorhause. Der geräumigere, rechts vom Vorhause gegen Osten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch