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(Heißwasserprobe) genannt wird. Bei diesem Schmause erscheint auch die Braut, aber jetzt
nicht mehr ohne Kopfbedeckung wie früher, sondern als junge Frau (nevastä tinerä)
gekleidet mit dem im Dorfe üblichen Kopfputze, der in der Regel in einem rothen, eigen-
artig geformten Fes besteht, um den ein seidenes oder wollenes, hübsch zusammengelegtes
Tüchel (testemel) gebunden wird, worauf dann Kopf und Hals mit einem weißen, verziert
gewebten, langen Leintuche oder mit einem anderen gefärbten blumenreichen Kopftuche
in eigener Weise umwickelt werden. Bald darauf versammeln sich auf neuerliche Einladung
durch die Brautführer nur verheiratete Hochzeitsgäste zu einer großen Tafel (inasä inars,
pripoi), bei der jeder Gast mit einer Anrede in Versen und einem versüßten Trunk
(pakar ckulee) beehrt wird. Jeder auf diese Weise geehrte Gast legt in seinem Namen und
in dem seiner Frau auf den Präsentirteller eine Geldspende. Das so gesammelte Geld wird
theils zur Bestreitung der noch nicht gedeckten Hochzeitskosten, theils für die Einrichtung
des neuen Hausstandes verwendet. Einige Tage darauf gehen die Neuvermählten zu den
Eltern der Frau auf Besuch (cals primarä). Es wird ihnen zu Ehren ein Schmans
gegeben, zu welchem auch die Eltern des Bräutigams und die Beistände eingeladen werden.
Hiemit sind die Hochzeitsfeierlichkeiten zu Ende.
Wenn der Bräutigam die Braut in sein eigenes Haus oder in das seiner Eltern
heimführt, so sagt man von ihm s'a insurat daß er geheiratet hat"; übersiedelt er
aber in das Haus der Braut, so sagt man von ihm s'a märiwt ^ daß er verheiratet
worden ist". In der Regel wohnt das junge Ehepaar eine Zeit lang in dem Hause der
Eltern des Mannes oder in demselben Hofraume, bis es sich ein eigenes Haus irgendwo
in der Nähe baut, was nur in dem Falle geschieht, wenn mehrere Brüder im Elternhause
vorhanden sind. Während dieser Zeit führt die Schwiegertochter mit der Schwiegermutter
gemeinsamen Haushalt, wobei die Schwiegermutter immer die Haupt- und Führerrolle spielt.
Jedes neugebaute Haus wird beim Einziehen in dasselbe eingeweiht. In ein neues
Haus kommt kein Anverwandter und Bekannter das erste Mal mit leeren Händen.
Ergeht es dem Eigenthümer im neuen Hause wohl, so wird der Ort, auf dem es steht, für
rein und das Haus selbst für glückbringend gehalten. Das Haus bleibt darauf von
Generation zu Generation und wird nur erneuert, sehr selten durch einen Znban erweitert,
da sonst einer der Inwohner sofort sterben müßte. Auch glaubt man, daß in den Funda-
menten des Hauses ein Schutzgeist in Gestalt einer Schlange wohne, die dann und wann
zum Vorschein kommt, den Angehörigen des Hauses nichts Böses thut, und die man deshalb
schonen muß, widrigenfalls über die Hauseinwohner allerlei Unglücksfälle kommen.
Wenn Jemand im Hause schwer erkrankt, so beichtet er allsogleich und empfängt die
Communion. Liegt er in den letzten Zügen (traxe cle irwarte), so wird ihm eine brennende
Wachskerze in die Hand gegeben, welche er hält, bis er den Geist aufgibt. Darauf wird
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch