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Nach dem Begräbnisse kehren die Personen, die dem Verstorbenen das letzte Geleite
gegeben haben, wo möglich nicht auf demselben Wege, auf welchem sie zum Friedhofe
gegangen sind, nach Hause zurück. Hier wäscht man sich die Hände, dann wird ein kleines
Todtenmahl (evinanci, praclnie) servirt, zu dessen Ende jeder Theilnehmer einen kleinen
Kolatschen mit einer brennenden Kerze (evlao si luminä) von den Veranstaltern des
Todtenmahles für die Seele theils des jetzt Begrabenen, theils der früher verstorbenen
Mitglieder der Familie (6e sullewl inortilvr) erhält. Daher das Sprichwort:
colac si luminü — gib dafür einen Kolatschen mit einer Kerze", wenn man von etwas
Verlorenem, das man nimmer finden wird, sprechen will. Man meint, daß die guten
Thaten, welche die lebenden Verwandten im Namen eines ihrer verstorbenen Angehörigen
verrichten, von Gott so angesehen werden, als ob dieser sie selbst im Leben geübt hätte.
Daher die öfteren Erinnerungsfeste (äilsle mortilor), die während des Jahres unter
Vertheilnng von Geschenken im Namen der Verstorbenen gefeiert werden.
Schließlich seien hier noch einige volksthümliche Anschauungen und Gebräuche
erwähnt, die an das vorchristliche Leben und die damaligen religiösen Anschauungen
erinnern.
Während der Fastenzeit vor Weihnachten versammeln sich an den langen Abenden
mehrere, in der Regel der niederen Volksclasse angehörende Jünglinge, um uralte,
durch Überlieferung aufbewahrte Weihnachts-, Stern- und Neujahrslieder (corincks oder
eolincle <Ze eräciun si de arml iinü, cantece cke steä) zu erlernen. Die Weihnachts-
lieder (coriruiele oder colincZele cke craciun) sind theils weltlichen, theils christlich-
religiösen Inhaltes. Die ersteren feiern den Hausherrn und dessen Familie, insbesondere
die schönen Töchter, die letzteren die Geburt Christi. Sie werden mit oder ohne Violine
vor den Fenstern der Häuser Abends bis gegen Mitternacht, vom heiligen Abend beginnend
in der Regel durch drei Tage gesungen. Diese Sänger (corinckütorl oder colinäawrl)
führen hie und da auch eine in Gestalt einer länglichen Kirche geformte mit drei Thürmen
versehene Stallung (Vikliem) mit, deren Inneres beleuchtet ist, und worin eine Krippe
mit dem Christuskinde in derselben, Maria und Josef und überdies noch einige Ochsen,
Schafe und Pferde in Figuren oder in Abbildungen angebracht sind.
Mit dem ersten Weihnachtstage beginnen die Colindatoren mit dem Sterne (cu
steaüa, eu lueeaterul), gewöhnlich drei, und die Herodes-Sänger (Irvckii), in der Regel
sechs an Zahl, nicht blos von Haus zu Haus, sondern auch von Dorf zu Dorf, nicht nur
Abends, sondern auch unter Tags herumzustreifen und verschiedene auf die Geburt Christi, die
Weltschöpfung, den Sündenfall, den Tod, das Paradies und die Hölle sich beziehende Lieder
zu singen. Sie führen mit sich einen beleuchteten, drei- oder sechseckigen Stern, der entweder
oben an einer langen Stange beweglich angebracht (stea) oder an einer horizontalen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch