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Werber nahen werde, so wirft es am Andreasvorabend seinen Stiefel über die Hütte nnd
schließt ans der Richtung, nach welcher derselbe mit der Öffnung fällt, aus die Gegend,
aus welcher der Werber kommen wird. Auch verfertigt an diesem Abende jedes Mädchen
je zwei Nudeln: die eine aus Brot, welche es selbst, die andere aus Butter, welche ihren
Liebsten vorstellen soll, legt dieselben auf den Fußboden nieder nnd läßt die Katze ins
Zimmer; das Mädchen, dessen Nudel die Katze zuerst auffrißt, heiratet früher. Oder es
legen Mädchen ihre särbigen Wollgürtel (b^'uiki, pojas^) in einen Teigtrog zusammen
und beuteln mit demselben; jenes Mädchen, dessen Gürtel zuerst herausfällt, hat Aussicht
zu heiraten. Auch aus der Form des geschmolzenen Bleies schließen die Mädchen auf ihre
Zukunft; sieht sie dem Kreuze ähnlich, so muß das Mädchen sterben, wenn hingegen einer
Blüte, so steht ihr die Heirat bevor. Das Horchen unter dem Fenster ist gleichfalls üblich;
hört das Mädchen im Zimmer das Wort „gehe" aussprechen, so wird es unter die Haube
kommen, das erhaschte Wort: „laß", „sitze" hingegen prophezeit ihr, daß sie noch sitzen
bleiben werde. Ob ihr Mann reich oder arm sein werde, dies zu erfahren begibt sich die Maid
mit zugemachten Augen zum Schober und zieht einen Halm heraus; ist dessen Ähre voll, so
wird ihr Mann reich, wenn hingegen leer, arm sein. Auch werdeu von den Mädchen die
Zaunpflöcke folgendermaßen bei Nacht gezählt: „Nicht einer, nicht zwei, nicht drei" ?c.,
beim neunten sagen sie: „Dies der Meinige" und umbinden denselben mit einem Faden.
Früh am Morgen betrachten sie dann jeden neunten Pflock: ist derselbe mit der Rinde
umgeben, so wird der Mann reich, wo nicht, arm sein. Der Kamm, mit welchem sich das
Mädchen am Vorabende des heiligen Andreasfestes gekämmt hat, wird in einen Knäuel
Rohgarn gewickelt und unter den Polster, auf welchem die Schöne ruht, gesteckt; im
Tranme offenbart sich sodann der Schläferin die Zukunft. Stellt sich aber ein Mädchen
ganz entblößt um Mitternacht vor einen Spiegel, so erscheint in demselben der künftige
Bräutigam. Noch ein derartiges Orakel ist hier erwähnenswert!). Auf den Tisch werden
nämlich ein Kreuz, ein Kranz und eine Puppe gestellt und diese drei Gegenstände init je
einem Teller bedeckt. Nun muß ein Mädchen, das bei der Vorbereitung nicht anwesend
war, einen der Teller aufheben; findet dasselbe das Kreuz, so stirbt es im nächsten Jahre,
der Kranz deutet anf Heirat, die Puppe auf Mutterfreuden oder Schande. Am Vorabende
des Weihnachtsfestes treten die Mädchen mit den Löffeln, welche vom Abendessen abgeräumt
wurden, hinaus ins Freie und rasseln mit denselben: aus der Richtung, in welcher ein Hund
bellt oder ein Hahn kräht, ist der Werber zu erwarten.
Außer diesen Orakeln kennt das rnthenische Mädchen auch mancherlei Mittel,
vermöge deren sie die Liebe der Burschen zu erwecken und stets rege zu erhalten glaubt.
Nie vergißt sie das Kräutchen ,Iiudestok"' im Gürtel mit sich zu führen, da dasselbe den
' Liebstöckel (levisticurn v5Le.), auch raeve- (liebe mich) genannt.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch