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und noch mehr die seines Weibes eine völlig untergeordnete. Beide wohnen im kleinen
Zimmer (diate?enu) und führen sie auch einen eigenen Haushalt, so bleiben sie doch
völlig der Aufsicht und den Rathschlägen der Eltern unterworfen. Erst wenn der junge
Ehemann sich auf einem eigenen, als Ausstattung übernommenen Grundstücke seine Hütte
erbaut hat, erfolgt die Begründung einer selbständigen Wirthschaft und dann heißt es:
„er hat sich losgetrennt" (xvin vvickcZii^vvsM, ^vickokromz^v^a). Dahin führt der neue
Wirth nun auch die ihm versprochenen Geräthe und Viehstücke, und ist dies
geschehen, so ist er ganz selbständig geworden. Er ist das Haupt in seinem Heim und bei
der Wirthschaft, welchem sich alles fügen muß.
Vor allem ist der Rnthene sehr fromm; er unterläßt es fast nie, sein Morgen- und
Abendgebet zu sprechen uud geht er schlafen, so murmelt er noch, den Polster bekreuzend,
folgendes Sprüchlein:
„Hehres Kreuz zu Häupten, I Reiner Ort unter mir,
Gottes Kraft zu Füßen, ^ Gott mein Hort über mir."
Die Bauern fasten sehr viel. Außer den kirchlichen Fasten beobachten sie noch frei-
willige, so zum Beispiel während einer Krankheit, „auf den Kopf des Feindes", zur Zeit
eines Rechtsstreites, um eine .napast" (ungerechtfertigte Beschuldigung) abzuwenden uud
dergleichen. Als Amulet trägt der rnthenische Landmann mitunter ein Stückchen zu Ostern
zugleich mit dem Osterbrot geweihten Holzes (kiokie-ka). Im Verkehre mit anderen Dorf-
bewohnern ist derselbe sehr artig. Ausdrücke, wie: das Hemd, die Unterhose, das Schwein,
der Hund ?c. wird er nicht eher aussprechen, bevor er nicht vorausgeschickt hat: „indem ich
die Heiligenbilder, die Sonne und Euch, artiger Herr, hochachte". Landleute gleichen Alters
rufen einander mit dem Ausrufe: oder („mein, du mein", seiltest:
Freund) an. Den Tag theilt der Rnthene nach den drei Essenszeiten ein, und zwar: »odick-
bis 9 oder 10 Uhr Vormittags; »poluckenok* — Mittagszeit, endlich in der Dämmerung
die .vvee/eHa' (Nachtmahl). Besucht ihn Jemand, während er speist, so frägt der
Angekommene: ,c?as ckc» odiäu?" (Zeit zum Essen?), worauf ihm der Essende antwortet:
„es ist Zeit, wir bitten auch Euch." Die Mittagszeit und die Zeit um Mitternacht gelten
als unglückbringend. Geschieht an einem Tage ein Unglück, so sagt der Landmann:
koralna cknMa" (dies ist ein Unglückstag). Auch gibt es nach der Ansicht des Volkes
Stunden, in denen Segen und Fluch sofort in Erfüllung gehen können, sowie die ungeraden
Zahlen als uuglückbriugeud gemieden werden. Geht der Rnthene an eine Arbeit, so spuckt
er in die Hände, denn dadurch soll man an Kraft gewinnen. Von den Monatsnamen sind
ihm nur folgende drei allgemeiner bekannt: klart oder kl-uot — März, (Birken-
monat) — April und l'raxvsir (Grasmonat) — Mai. Geschieht während des Gesprächs
des Teufels Erwähunng, so fügt der Rnthene Hinz«: ,52e?a?-dv" (er möge verschwinden
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch