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und breite Bänke <!an'v) befestigt. Vor der Bank an der Ostseite steht der Tisch, während
an der Ostwand selbst die Heiligenbilder hängen; diesen schreibt man, je älter sie sind,
besondere Kräfte z». Wenn in der Nachbarschaft ein Haus brennt, so trägt der gefährdete
Landmann ein Heiligenbild, ein Stück Salz und zwei Brote vor seine Hütte und hält hie-
durch dieselbe für vor jeglicher Gefahr gefeit. Die gebräuchlichsten Bilder bei den Ruthenen
sind: Die Kreuzigung Christi, die Mutter Gottes, St . Nikolaus, St. Barbara und
St. Georg zc., welche sie mit verschiedenen Blumen schmücken. In einer Reihe mit den
Heiligenbildern bringt man auch die Bilder des Kaisers, der Kaiserin und der Mitglieder
des Kaiserhauses an der Ostwand an. An der Nordwand erblicken wir den Kleiderrechen
(ätüMa) und das Bett (postik), vor welchem die Kleiderkiste ihren Platz hat;
an der Westwand endlich befindet sich der Herd (pie?) und der Geschirrkasten <?8mvsnvli).
Die kleine Stube, die vorzüglich für den Winteraufenthalt bestimmt ist, enthält an der
Südwand eine Bank, an der Ostwand einen Geschirrkasten, welcher mit Schüsseln,
Töpfen und Krügen, die in Kolomea verfertigt werden, angefüllt ist, an der Nordwand
einen Backofen mit warmer Schlafstätte (Korn) für die Winterszeit, an der Westwand
einen Eßtisch.
An die Hütte des Ruthenen lehnt sich die Winterstallnng (prvtula) unter gemein-
samem Dache für das Vieh. Daneben erheben sich im Hofe die wenigen anderen Wirth-
schaftsgebäude: gegenüber dem Hause eine Kammer (komora) zur Aufbewahrung der
Speise- und Getreidevorräthe, daneben der Kukuruzkorb (kosan^ea), die Sommerstallung
für das Vieh (koleszuüa), eine Umfriedung für Kälber, dann auch Kammern für Schweine
(kurinnxk) und Hühner (kurn)?k). Selten fehlen anch ein Brunnen (keri^ea) mit einfachem,
offenem Geländer und ein Keller lpnvr^ca, powsnvk). Hinter dem Hofe oder auch hinter
dem Hause dehnt sich der Gemüsegarten, oder auch ein Obstgarten aus, in welchem Weichsel-,
Zwetschken-, Äpfel- und Birnbäume zu erblicken sind. Auch ein kleiner Blumengarten, in
welchem Basilinmblnmen, Nelken, Malven, Astern, Päonien und das Liebstöckel prangen,
ziert bisweilen das bescheidene Heim des rnthenischen Landmannes.
D a s ruthenische Dorf (selv). Selten leben rnthenische Nachbarn nnter einander
in Frieden und Eintracht. Deshalb sagt des Sprichwort: „Wer sich eine Hütte bauen
will, der suche einen guten Nachbarn." Der Zaun, der benachbarte Gründe trennt, der
Baum, der auf dem Raine wächst, das Ei, welches die Henne auf fremdem Boden legt,
werden oft die Veranlassung zu großem Streite. Dann hört man die Leute sagen: „Sie
zanken wie die Hunde über den Zaun." Besitzt einer der Nachbarn zusammengewachsene
Augenbrauen, so hat er böse Augen; hat ein anderer Sommersprossen, so ist er gut, fleißig
und arbeitsam. Wirft ein Nachbar einen langen Schatten, so soll er gut und gerecht sein;
Brandstifter hingegen hätten keinen Schatten. Von uichtgeachteteu Nachbarn sagt der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch