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wenn er seine Kniebeugungen (pokionv) verrichtet. Auf seinem Felde ruht sein ganzes
Hoffen; kein Wunder also, wenn er durch geheimnißvolle Bräuche seiner Saat Fülle und
Segen zu sichern sucht. So bestreicht der Säemaun bei der Aussaat des Weizens seine
rechte Hand mit zu Ostern geweihtem Speck und wirft die ersten Samenkörner mit
geschlossenen Augen auf das Ackerfeld; auch muß er stnmm bleiben, wenn ihn Jemand
hiebet anspricht, denn sonst würden die Spatzen den Weizen am Halm beschädigen. Der
Ruthene fürchtet die Hagel- und Gewitterwolken sehr und nimmt deshalb seine Zuflucht zu
Zaubermitteln und Hagelbeschwörern, welche nach seiner Meinung die Macht besitzen sollen,
die Hagelwetter aufzuhalten; ja er leistet dem Hagelbeschwörer bisweilen selbst Abgaben
an Getreide und Mehl. Um den Gurkenpflanzen schöne und viele Früchte abzugewinnen,
streuen die Bauernweiber taube Gurkenblüten, welche keine Früchte erwarten lassen, auf
Kreuzwegen aus und peitschen dieselben.
Sein Vieh beschützt der Ruthene vor dem „bösen Blicke", indem er an die Zäune
seines Hofes Thierschädel aufhängt und schönen Kühen oder Kälbern ein rothes Band
um den Hals bindet. Gefährlich sind den Kühen nach der Volksmeinung die Hexen. Am
St. Georgstage werden die Kühe zum ersten Male auf die Weide getrieben. Um
Mitternacht vor diesem Feste versammeln sich alle Hexen auf den Grenzhügeln und
berathen dort, wie den Kühen die Milch benommen werden solle; deshalb wendet der
Landmann Zaubermittel gegen den bösen Einfluß der Hexen an.
Festkalender. Zahlreich sind die Festtage, welche der Landmann nnter Fasten,
Gebeten und Arbeitsfeier, sowie mit Gebräuchen begeht, welche noch an die heidnische
Vorzeit erinnern. Den Reigen derselben eröffnet das Weihnachtsfest (ri?6vvo s25, bis
27. December a. St., 6. bis 8. Jänner n. St.^). Am heiligen Abend
wird in der großen Stube mit Ladanum vorerst geräuchert, dann, um die Krippe nach-
zuahmen, unter dem Tische Stroh und auf dem Tische unter das Tischtuch Heu ausgebreitet;
in das Heu kommen noch Hanfsamen, Knoblauch und ein Vorhängeschloß, um alles Böse
zu bannen. Hierauf versammeln sich die Hausgenossen an dem Tische, wo sie nach langem
und strengem Fasten ipetepivvica genannt) ein reichliches Mahl erwartet. Kuchen (knvs?i),
Sauersuppe (börste?), mit Graupen gefüllte Krautblätter (kalus?ki oder liotubei), frisches
und gedörrtes Obst (sus?er^ei>, vor allem aber in Honig eingemachter Weizenbrei
oder kuha) werden als Festspeisen aufgetragen. Bevor man diesen Brei kostet, wirft man
von demselben einen Löffel voll gegen die Stubendecke; so viele Körner an derselben haften
bleiben, ebenso viele Bienenschwärme wird der Hauswirth im folgenden Jahre sein eigen
nennen. Verwandte, Nachbarn und gute Freunde senden einander an diesem Abende einen
Theil der Fastenspeisen zu; dieser schöne Brauch, welcher auf die bei den Slaven einst
gebräuchliche Hausgemeinschaft hindeutet, heißt „das Nachtmahltragen" OecasHu nestv).
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch