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Der Ruthene hat schließlich auch eine Anzahl Wetterregeln, von denen hiereinige
folgen mögen: Große Schneeverwehungen deuten auf ein gutes, fruchtbares Jahr. —Wird
ein Schwein geschlachtet und ist die Milz desselben lang, so wird der Winter lang andauern;
ist sie hingegen kurz, so naht bald der Frühling. — Fliegen die Raben in Schwärmen
unruhig umher, so bedeutet dies je nach der Jahreszeit Schnee oder Regen. — Tragen die
Schweine Stroh in das Lager, steht Regen bevor. — Viele Maikäfer deuten auf eine zu
gewärtigende gute Kukuruzernte. — Fliegende Herbstfäden (bubske Iitc> genannt) künden
einen lang andauernden Herbst an.
Der Tod und die Leichenfeier. Wenn die Eule (sovva) ihr umheimliches Geschrei
auf einem Hause ertönen läßt, oder wenn der Kukuk Oaaulia) in der Nähe des Gehöftes
neun- oder elfmal kurz hinter einander ruft, so ahnt der Ruthene, daß in seinem Hause oder
wenigstens in der Nachbarschaft Jemand sterben muß. Hat der Tod an die Thüre des
Landmannes gepocht und ist ein Mitglied des Hauses verblichen, so wird der Todte
zunächst gewaschen, mit den Kleidern, wie er sie im Leben trug, angethan und sodann auf
der breiten Sitzbank, welche an der Südwand des Hauses angebracht ist — die Kinder auch
wohl auf dem Tische — aufgebahrt. Den Kopf bedeckt man dem todten Manne und
Jünglinge mit seiner Pelzmütze, dem Weibe wird er mit dem weißen Handtuch umwickelt;
das erwachsene Mädchen wird mit einem runden Kopfputz, welcher in der Prnthgegend
.karatmli" heißt, und mit Bändern und Blumen geschmückt, dem kleinen Kinde ein
Kranz von Immergrün um die Schläfen gelegt. Hierauf wird der Leichnam mit einem
weißen Leinen (rantuek) ^ bis zum Halse hinauf bedeckt; die Hände liegen kreuzweise
ineinander geschlungen und halten die Kerze, bei welcher der Verstorbene ausgerungen
hat. Doch trennt sich die Seele (ckus?ä) nach der Meinung des Volkes sehr ungern vom
Körper. Sie hält sich bis zur Beerdigung des Körpers in der Nähe desselben auf und kehrt
auch noch nach der Beerdigung in die Stube des Verblichenen ein. Deshalb wird sehr oft
am Fußende im Sarge ein viereckiges Loch, „das Fensterchen" ikonee) genannt, ausgesägt,
um den Verkehr der Seele mit dem Körper nach dem Tode nicht zu behindern. Zu Häupten
des Aufgebahrten steht ein Leuchter, an den die Besucher ihre Wachskerzen befestigen, welche
Tag und Nacht für das Seelenheil des Todten brennen. Dieser liegt auf weiß überzogenen
Pölstern, neben den Pölstern werden alle seine übriggebliebenen Kleidungsstücke aus-
gebreitet und sodann über den Sarg hinweg vor dem Hause an Verwandte oder Dorfarme
vertheilt. 2
So lange die Leiche im Hause liegt, gehen die männlichen Mitglieder desselben
ohne Kopfbedeckung, die Mädchen mit aufgelöstem Kopfhaar umher. Am Abend versammelt
' Verderbt aus dem deutschen „Randtuch".
2 Dies geschieht besonders im Kotzmaner Bezirke, sobald die Leiche vor das Haus hinausgetragen wurde.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch