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Ein anderes Mittel besteht darin, daß die Hexe an der Stelle, wo die Kühe gewöhnlich
gemolken werden, eine Kuh aus Holz anfertigt lind das bei dieser Arbeit verwendete Messer
in den Boden steckt. Den Kühen ist nun die Milch „wie mit einem Messer abgeschnitten";
der Hexe gibt aber die hölzerne Kuh die Milch aller Kühe, die an jenem Orte gemolken
wurden. Ebenso können übrigens die Hexen, abgesehen von vielen anderen Mitteln, aus
den Thürpfosten, einer Bank oder einer Ölpresse Milch gewinnen. Besonders an gewissen
Tagen des Jahres ist die Macht der Hexen und bösen Geister über das Vieh sehr groß;
wir werden dieselben sofort bei der Schilderung des huzulischen Festkalenders kennen lernen.
Hier sei nur noch erwähnt, daß die Huzulen besondere Feste feiern, um die Raubthiere,
besonders die Wölfe und die von ihnen allgemein für giftig gehaltenen Wiesel, für ihre
Herden versöhnlich zu stimmen.
An den Festkalender der Huzulen knüpft sich der wichtigste und merkwürdigste
Theil ihrer Volksüberlieferung. Vor Allem weist das Weihnachtsfest, diese uralte Feier
der geheimnißvollen Wiedergeburt alles Lebens, eine Fülle uralter Gebräuche auf. Das
Stroh, welches die Huzulen unter das Tischtuch des Weihnachtstisches legen, um das-
selbe drei Tage nachher als den „viä", das heißt den „Alten", vor dem Hause zu
verbrennen, versinnbildet den bösen Winter; seine Herrschaft ist nach dem kürzesten Tage
des Jahres gebrochen und mit der wiederkehrenden Sonne, die fortan immer größere
Bögen beschreibt, kehrt auch neue Hoffnung für die Zukunft wieder. Das lebendige Feuer,
welches am Weihnachtsabend auf ähnliche Weise, wie dies in den Sennhütten zu geschehen
pflegt, angefacht wird, und wenigstens durch die ganze Nacht, mitunter aber bis zum
heiligen Dreikönigstage ohne Unterbrechung unterhalten wird, ist das schönste Sinnbild
der neubelebten Sonnenwärme. Und wie zur Zeit dieses Festes, an das die christliche
Kirche so sinnreich die Feier der Geburt Christi geknüpft hat, die Erneuerung alles Lebens
geheimnißvoll vor sich geht, so wohnt demselben auch etwas Ahnungsvolles inne; keine
Zeit ist so geeignet die Zukunft zu enthüllen, wie der Weihnachtsabend. Der Hausvater
stellt Orakel an, wie die Wirthschaft im folgenden Jahre gerathen werde; so wirft er z. B.
einen Löffel voll Weizenbrei gegen die Decke, und schließt aus der Anzahl der an derselben
haften gebliebenen Körner auf sein Glück in der Bienenzucht. Damit der Hagel im folgenden
Sommer die Saaten nicht vernichte, wird er an diesem Abend auf merkwürdige Art
beschworen und zum Weihnachtstisch als Gast geladen; das Mädchen erforscht ihr künftiges
Liebesglück in oft höchst phantastischer Weise. Ganz merkwürdig ist es auch, wie in dieser
heiligen Nacht die guten und bösen Mächte noch mit einander ringen. Die Brunnen fließen
um Mitternacht voll Wein, aber ebenso ist alle Welt erfüllt von bösen Geistern, die den
Menschen und Thieren Schaden zuzufügen suchen. Wer vergessen hat, zauberkräftigen
Knoblauch an die Thürverschlüsse der Stallungen zu befestigen und das Rückgrat der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch