Seite - 294 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bukowina, Band 20
Bild der Seite - 294 -
Text der Seite - 294 -
294
auch zur Verzierung der Zimmerwände. In Ermanglung solcher Pölsterchen muß bei der
Kniebeugung unbedingt ein Taschentuch auf dem Boden ausgebreitet werden.
Die Lippowaner sind ehrliche, fleißige und überaus thätige Geschäftsleute, die sich
auf dem Lande auch mit Ackerbau und Viehzucht, besonders aber mit Garten- oder richtiger
Obstcultur und hie und da mit Bienenzucht befassen. Sie pachten alle größeren, wenn
auch meilenweit entfernten Obst- und Weingärten. Im Herbste pflücken sie mit der Hand
auch von den höchsten Bäumen, die sie ans langen Leitern besteigen, das reife Obst und
hinterlegen es in den in allen Städten der Bukowina gemietheten Kellern. Allmälig sammeln
sie die gesammten Obstvorräthe des Landes und beherrschen so den ganzen Obstmarkt der
Bukowina, und bestimmen selbst die Obstpreise in den Nachbarländern. Auf ihren kleinen
Wagen trausportiren sie alle Obstgattungen: Weichseln, Kirschen, Aprikosen, Äpfel, Birnen,
Zwetschken, Nüsse, Weintrauben, Wassermelonen, ferner Honig, Wachs, Ol, Kürbiskörner,
Flachs, Lein und anderes nach allen Gegenden und senden auch ganze Waggonladnngen
davon ins Ausland.
Während die Männer in Geschäften auswärts weilen oder in ihren Gärten das
Obst bewachen und pflücken, verkaufen die Franen und Greise vor ihren Kellern das daselbst
auf Tischen ausgestellte frische und gedörrte Obst und den daraus bereiteten Most. Denn
die Lippowaner sind in der Obstdörrekunst, der Mostbereitnng und Früchteeinsäuerung
unübertreffliche Meister.
Sie beschäftigen sich aber auch mit der Herstellung ihrer Wagen und Schlitten, mit
Leinwandweberei nnd Seilerarbeit. Beim Graben von Teichen, Dämmen, Canälen,
Schanzen und Fundamenten und beim Ausführen der ausgehobenen Erde entwickeln sie
eine unübertreffliche Geschicklichkeit und Ausdauer. Namentlich gilt dies von den Lukawizcr
Lippowanern, die sich ausschließlich mit Erdarbeiten beschäftigen.
Ochsen pflegen die Lippowaner nicht oder mir selten zu halten. Aber auch der Ärmste
besitzt Wagen und Pferd. Die Ärmeren fahren gewöhnlich einspännig; nur die Reichen
spannen bei größeren Lasten zwei Pferde ein. Der auf hölzernen Achsen rnhende Wagen
hat eine Gabeldeichsel. Der leichsenlose und aus Lindenholz bestehende Wagenkorb ist
von innen mit Lindenrinde bekleidet. Auch ihre Schlitten bestehen aus Lindenholz und
sind mit ebenderselben Rinde bekleidet. Das Pferd wird beim Einspannen zwischen die
Deichseln gestellt, woran es auch den drittellosen Wagen zieht. Das Kummet wird hierauf
mittelst starker Riemen unter Zuhilfenahme eines starken, halbkreisförmigen Holzreifes, der
über den Hals des Pferdes zu stehen kommt, mit den Deichseln derart fest verbunden, daß
diese gleich weit vom Körper des Thieres zu stehen kommen. Jeder Wagen hat zwei Lang-
bänme, wovon der niedrigere unter der Vorderachse steht und mittelst eines Seiles in gleicher
Höhe mit dem oberen gehalten wird. Den Pferden legen sie nie das Gebiß des Kopfgestelles
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch