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folgen. Hierauf kommt der Teufel und ruft: „Kutkuduk!" Nachdem er sich hierauf als
Teufel angemeldet hat, wählt er ebenso wie der Engel eine „Farbe" und führt dieselbe
mit sich fort. Haben schließlich der Engel und der Teufel auf die beschriebene Weise alle
„Farben" weggeführt, so erscheinen beide mit denselben auf dem Spielplatze, um gegen
einander zu kämpfen. Zu diesem Zwecke wird eine lange Stange herbeigeholt, welche die
Partei des Engels von der einen Seite, diejenige des Teufels von der anderen faßt. Hierauf
bemüht sich jeder Theil, den anderen mit sich fortzuziehen. Welchem dies gelingt, der hat
das Spiel gewonnen. — Von den vielen Verschen, welche in der Kinderstube täglich
hergesagt werden, möge eins der beliebtesten in Übersetzung hier folgen:
„Ein Märlein mach' ich euch kund, Da lief er zu der Mutter hin,
Viele von den Verschen haben offenbar die Polen aus ihrer Heimat mitgebracht, so
zum Beispiel jenes vom Krakanerchen, der mit sieben Rößlein in den Krieg zog und ohne
den Säbel gezogen zu haben, heimkehrte. Andere zeugen davon, in wie nahe Beziehungen,
insbesondere im Kindermunde die polnische Sprache zur deutschen trat. Halb polnische
und halb deutsche Verschen und Neckereien sind nicht selten. So lautet beispielsweise ein
Schülervers, den man oft in Schülerheften findet und der uns lebhaft an die Schreiber-
verse in mittelalterlichen Handschriften erinnert, folgendermaßen: Ende, Ende, Ende —
k>isae M nie (das heißt: ich werde nicht mehr schreiben). Ebenso ist unter Schul-
kindern zum Beispiel die Neckerei unzählige Male zu hören, daß auf die Frage „Was?"
geantwortet wird „Kapnsta mit Kwas", das heißt „Kraut mit Säure" und dergleichen.
Besonders mag noch hervorgehoben werden, daß Beziehungen dieser Art besonders
in Czernowitz sehr rege sind. Werden hier doch von der zur Osterzeit bei der Kirche
versammelten Jugend selbst so echt rnthenische Lieder, wie es jene von Selman sind, zum
großen Theil mit polnischen Wortformen versetzt, gesungen.
Das nationale Bewußtsein der Polen ist ein sehr reges. Auch in dieser Beziehung
bildet die Landeshauptstadt den Mittelpunkt. Hier haben vor allem die polnischen Vereine
ihren Sitz. Von denselben verdient besonders das im Jahre 1869 begründete .l'ovva-
lv.Mvvo k>vlskie bratnie^' genannt zu werden, welcher Verein die Unterstützung
Hilfsbedürftiger zum Zwecke hat. Die „Polnische Lesehalle" trägt nicht nur durch ihre
Bibliothek zur Hebung der geistigen Bildung der Polen bei, sondern auch durch die in
derselben stattfindenden dramatischen Vorstellungen und die veranstalteten Vorträge und
Vorlesungen. In den letzten Jahren ist auch der politische Verein ,kolo polskis", ferner
der polnische Frauenverein pan na Lukon-inie" und der Turnverein
Wie einst die Pfeife raucht ein Hund,
Auf einem allzu langen Rohr,
Verbrannte sich daher das Ohr. Doch diese schalt' und rügte ihn.
Als er zum Bater Zuflucht nahm,
Ein Goldstück er von ihm bekam."
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch