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Seife- und Käsebereitung. In letzter Zeit aber beschränken sie sich mehr auf die Pachtung
und Bearbeitung der Privat- und Religionsfondsgüter. Fast ein Drittel des gesammten
Privatgroßgruudbesitzes befindet sich in ihren Händen.
Einst vermittelten sie den gesammten Handel zwischen Ost und West, und ihre
Handelszüge hatten ein echt orientalisches, karawanenähnliches Gepräge. Die Theilnehmcr
solcher Züge rüsteten sich monatelang dazu; wenn Alles bereit stand, schwangen sie sich, mit
der kurzstieligen, geflochtenen Lederpeitsche versehen und dem breiten, mit ganzrandigen
Ducaten vollgefüllten »kimir« genannten Ledergürtel umgürtet, auf das Roß. Zur
Sicherheit der Gelder, der Waaren und des eigenen Lebens wurden im Gürtel stets
scharfgeschliffene Dolche und in den Satteltaschen wohlgeladene Pistolen mitgeführt. Hinter
dem polsterartigen, mit schwarzem Safianleder tapezierten Sattel lag der von Waaren,
Wäsche und Proviant strotzende Doppelledersack nebst Wettermantel. So wurden tagsüber
viele Meilen Weges ohne Rast zurückgelegt, am Abend hielt man Einkehr und erfreute sich
an einer reichbesetzten, gemeinsamen Tafel.
Beim Handel Pflegt der Armenier die rechte Hand des Kunden mit einer Hand fast
gewaltsam zu drücken und dann darauf mit der anderen zu schlagen, um gleichsam die
Zuneigung des Kauflustigen zu gewinnen. Nach abgeschlossenem Geschäfte wird die Hand
des Kunden zuerst in die Höhe gehoben, dann geschwungen und erst nach den Worten:
„Gott gebe Glück!" fallen gelassen.
Die armenischen Häuser haben hohe, spitze Dächer, welche mit zwei, gewöhnlich an
der Ostseite befindlichen, die Stelle der Schornsteine vertretenden Dachlucken versehen sind.
Zur Verzierung des Daches werden an den Ecken des Dachkammes zwei gedrechselte
blitzableiterähnliche, meterhohe Holzstangen angebracht. Die qnadratförmigeu, ziemlich hoch-
gehaltenen Häuser, ebenso die großen Hofräume, in deren Mitte sie gewöhnlich erbaut
sind, wie auch die Straßen ihres Viertels werden rein gehalten. Die aus mehreren Wohn-
räumen bestehenden Häuser sind mit langen, orientalischen Divans, die als Sitz- und
Schlafstätte dienen, und auch mit modernen Möbeln recht behaglich, ja selbst luxuriös, doch
nicht überladen eingerichtet.
Die Bauart ihrer Häuser, welche ohne einen rings um das Haus führenden
hölzernen Gang oder wenigstens eine von hölzernen oder steinernen Säulen getragene
Veranda undenkbar sind, haben die Armenier von den Rumänen entlehnt. Im Schatten
dieses Ganges oder der Veranda sitzt im Sommer während der heißen Nachmittagsstunden
der starkbehaarte, hie und da noch in lange, faltige, orientalische Gewänder gehüllte
Familienvater. Hier raucht er aus seinem langen, wohlriechenden, mit einer Bernsteinspitze
versehenen Weichseltschibuk echt türkischen Tabak, den auch die Frauen hie und da in
Zigarrettenform nicht verschmähen. Gerne wird auf der Veranda in langen Pausen der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch