Seite - 330 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bukowina, Band 20
Bild der Seite - 330 -
Text der Seite - 330 -
330
Die Jigeuner.
Innere Unruhen, feindliche Einfälle in die hindostanischen Länder, wie auch die
unmenschlichen Gesetze des Manu zwangen den Volksstamm der Zigeuner, der „Roma"
oder „Romaniezei", wie sie sich selbst nennen, ihrem sonnigen Vaterlande auf immer den
Rücken zu kehren. Mit dem ewigen Wanderstabe ausgerüstet, durchstreiften sie die ganze
Welt, ohne sich irgendwo von der Scholle festhalten zu lassen. Auf dieser Weltwauderung
betraten sie um das Jahr 1400, wohl auch früher, den Boden der Bukowina. Hier wnrden
sie zu Sclaven erklärt, viele wurden dies freiwillig und verbliebe» als solche bis zum
Jahre 1783, als Kaiser Joseph II. sie hochherzig zu freien Menschen machte.
Bis zu jenem Jahre besaßen die vielen Klöster und Großgrundbesitzer der Bukowina
Hunderte von Zigeunerseelen als Sclaven. Dieselben konnten, wie Sachen oder Thiere
verkauft oder eingetauscht werden. Sie bearbeiteten, unter der Überwachung eines hart-
herzigen Aufsehers, der von seiner, „Falanga" benannten Peitsche häufigen und grausamen
Gebrauch machte, die ausgedehnten Kloster- oder Privatgüter und verrichteten Wirtschafts-,
Haus-, Hof- und Küchendienste. Der Reichthum eines Gutsherrn oder Klosters wurde
dazumal nach der Seelenanzahl der Zigeuner bemessen. Die etwas freieren musiktreibenden,
nur eine Art Abgabe zahlenden Zigeuner mußten oft mit ihrer Kunst, ihren Gesängen und
Witzen zur Erheiterung der herrschaftlichen Häuser beitragen. Obwohl sie Christen waren
und man alle ihre körperlichen und geistigen Kräfte bis zur Erschöpfung ausnützte, waren
sie doch so verachtet, daß man sie nicht auf den gemeinsamen, sondern auf abgesonderten
Friedhöfen begrub.
Früher hatten die Zigeuner nach ihrer Beschäftigung folgende Benennungen:
1. Löffelmacher „linAui-ari", 2. Bärenführer »ursarl", 3. Goldwäscher „ruäari oder
aui-ari«, 4. Hordenzigeuner „laiesi" und 5. Herdzigeuner »vätrasl«. Heute gibt es in der
Bukowina nur ansäßige Herdzigeuner und Löffelmacher, hingegen keinen vagabundirenden
Hordenzigeuner; doch besteht auch bei diesen ansäßigen Zigeunern noch ein gewisser Rest
früherer Wanderlust, welche sie veranlaßt, ihre festen Wohnsitze aus einem Dorfe ins
andere zu verlegen. Auch die Sorte der Goldwäscher ist eingegangen, und Bärenführer
kommen nur aus Siebenbürgen und Rumänien ins Land.
Der Zigeuner ist mittelhoch, schwachgebaut und mager, hat aber einen gut
proportiouirteu Kops und ein niedriges, breites, bronzefarbiges Gesicht. Seine Nase ist höher
gestellt als bei den übrigen Völkerschaften des Landes. Sein Mund ist etwas groß, der Hals
stark, die Arme kurz. Das gewöhnlich lange, ungekämmte, struppige Kopfhaar ist kraus,
kohlenschwarz und glänzend, die Augen sind schwarz und funkelnd, die Zähne schneeweiß
und kerngesund.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch