Seite - 404 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bukowina, Band 20
Bild der Seite - 404 -
Text der Seite - 404 -
404
Helten mehr Interesse haben als seelische Conflicte und Complicationen, ist Worobkiewicz
auf dem Gebiete der poetischen Bearbeitung epischer Stoffe legendären und historischen
Inhaltes besser als anderswo zu Hanse, deren künstlerische Wirkung höchstens durch seine
Vorliebe für wortreiche und pathetische Reflexionen beeinträchtigend. Nicht so günstig, wie
über die erzählenden Gedichte im engeren Sinne (Balladen, historische Gesänge u. s. w.),
kann unser Urtheil über Dichtungen lauten, die, wie beispielsweise Kleopatra, Kaiser Nero
und Iwan der Schreckliche, einen ungleich größeren Umfang haben nnd von Worobkiewicz
mit der Absicht verfaßt wurden, der ruthenifchen Literatur förmliche Epen zu schenken.
Denn, so löblich auch die Absicht ist, so sind doch Anlage und Durchführung trotz hübscher
Einzelheiten, unter denen die ruhige Bildkraft des Wortes und die plastische Anschaulichkeit
der Beschreibungen nicht den letzten Platz einnehmen, nicht von solcher Art, daß man
diesen Dichtungen einen höheren literarischen Werth zusprechen könnte. Unter den Erzäh-
lungen in Prosa ragen nur die „Makowejka" und allenfalls noch die „Nonne Ksenia"
als solche hervor, die den besseren Fedkowicz'schen Erzählungen ebenbürtig an die Seite
gestellt werden können; die übrigen sind von nur mäßigem Belange. Dramen, die bis jetzt
nicht gedruckt vorliegen, sind aus den Aufführungen im Theater bekannt. Zu ihren Gunsten
spricht vor Allem, daß sie früher sehr oft gespielt wurden und auch heute noch vom Reper-
toire der ruthenischen Nationalbühne nicht ganz abgesetzt erscheinen. Mit anderen Worten
bedeutet dies, daß sie zu der Zeit, da sie geschrieben wurden, eine vorhandene Lücke
ausfüllten, eine solche zum Theile auch gegenwärtig ausfüllen und schon aus dem Grunde
verdienen, daß ihnen in der Geschichte des ruthenischen Schauspiels eine gewisse Bedeutung
zuerkannt werde. Auch ist die Schilderung der Personen und Situationen in diesen Dramen
gut und vorwurfsfrei und braucht Worobkiewicz nach dieser Seite hin den Vergleich mit
anderen kleinrussischen Dramatikern nicht zu scheuen. Freilich der gedankliche Inhalt ist,
ungeachtet Worobkiewicz in einigen seinerDramen, wie zum Beispiel in der „Bidna Marta"
oder im „Hnat Prybtnda", auch das sociale Problem zu streifen versucht, eher arm als
reich zu nennen, und was die Technik betrifft, so muß gesagt werden, daß denselben mindestens
in der Form, in der sie uns augenblicklich vorliegen, das wesentlichste Merkmal eines
wirksamen Bühnenstückes, nämlich eine dramatisch bewegte Handlung und ein bedeutungs-
voller, in seinen Motiven klar erfaßter und folgerichtig durchgeführter dramatischer
Conflict fehlt.
Außer Fedkowicz und Isidor Worobkiewicz, als den beiden hervorragendsten
Vertretern der ruthenischen Literatur in der Bukowina, haben sich an deren Förderung
auch noch etliche andere Bnkowiner Ruthenen betheiligt, leider jedoch ohne erheblicheren
Erfolg. Denn, so achtungswerth ihre Bemühungen von einem anderen Standpunkte aus
sein mögen, vom Standpunkte der Aufgaben, die die schöne Literatur zu lösen hat, sind
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch