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Auch Neubauer und Staufe sind hier vertreten, aber es ist bezeichnend, daß das Beste,
was der kleine Baud enthält, zwei Rumänen, Janko und Theodor von Lnpul,
zu Verfassern hat, von denen namentlich der erste unstreitbar ein hochbegabter Lyriker war,
der Leuaus Einfluß deutlich erkennen läßt; größerem Schaffen hat früher Tod ein
Ende gesetzt. Wenige Jahre später wurde der Versuch Capilleris, die Dichter der Bukowina
in einer Sammlung zu vereinigen, von einem jungen Manne wiederholt, der eben erst das
Czernowitzer Gymnasium verlassen hatte und in welchem nachher der Bukowina ihr
bedeutendster Dichter erwuchs, von Karl Emil Franzos ; seine „Buchenblätter" boten
tüchtige Proben junger, aufstrebender Talente, denen nur leider später der Boden fehlte,
auf dem sie voll hätten ausreifen können. Das Gleiche gilt anch von dem 2. Jahrgange
der „Buchenblätter", den I. G. Obrist herausgab und der wohl die besten Lieder enthält,
die Staufe geschrieben. Einen frischen Aufschwung schien die Lyrik in der Bukowina nehmen
zu wollen, als das Jahr 1875 dem Lande seine Universität brachte. Moritz Amster und
Stanse sammelten die Lyriker um sich und brachten der jungen Hochschule in einem
„Poetischen Gedenkbuche" ihre Huldigungen dar, das manche tüchtige Leistung heimischer
Dichter birgt; von jüngeren Talenten sei nur auf P. Katz, den blinden Joh. Kaufmann,
der auch selbständig mit einem Bändchen „Nachtviolen" aufgetreten ist, auf I. Kunz u. a.
verwiesen, denen sich Hans Jaksch und besonders der talentvolle R. v. S t re le
anschließen; die beiden letzten weilten allerdings nur kurze Zeit in der Bukowina.
Aber die Perle der Sammlung sind die Lieder, die Karl Emil Franzos bei-
gesteuert hat. Zwar ist auch er nicht in der Bukowina geboren, aber seine geistige Ent-
wicklung gehört dem Lande an und auch sein Herz; singt er doch selbst in seinem „Gruß
aus Ost": „Nicht ist meine Wiege gestanden — In Deiner Thale Raum — Doch hältst
Du mit tausend Banden — Durch Jugendglück und Traum — Durch Schimmern vielsüßer
Sterne — Das wilde Herz im Bann — Daß es in fernster Ferne — Dich nicht vergessen
kann." Seine Bedeutung ruht vor allem in den culturhistorischen Bildern, die er in
den sechs Bünden seines „Halb-Asien" vereinigte, und in denen er zum ersten Male
die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf den Osten des Reiches, auf Galizien und auf die
Bukowina lenkte. Feines Empfinden und treffende Zeichnung vereinigen sich überall, mag
er uns einen schwülen Sommertag auf einsamer Haide oder einen Markttag in Barnow
schildern; was er über das Volkslied der Kleinrussen sagt, ist wohl überhaupt das Beste,
was über den Gegenstand in deutscher Sprache geschrieben wurde. Franzos ist aber auch
ein Meister der Novelle; in seinen Schilderungen des Ghettolebens übertrifft er alle seine
Vorgänger ebenso, wie er sie in der Vertiefung seelischer Kämpfe überragt; sein „Kamps
ums Recht", seine „Judith Trachtenberg" sind glänzende Beweise seines Talentes. Er
hängt mit inniger, vom Vater überlieferter Liebe an seinen jüdischen Glaubensgenossen,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch