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Zu Beginn der Fünfziger-Jahre des Jahrhunderts machte sich in den landwirthfchaft-
lichen Kreisen, vornehmlich bei dem Großgrundbesitze, ein regeres Streben nach Fortschritt
und bei richtigerer Erkenntniß der Interessengemeinschaft ein stärkeres Solidaritätsgefühl
geltend. Diesen Umständen verdankte der im Jahre 1854 von Doctor Christoph Ritter
von Petrowicz gemeinsam mit mehreren gleichgesinnten Großgrundbesitzern und anderen
Persönlichkeiten gegründete, heute «och wirkende Verein siir Landescnltnr sein Entstehen;
diesen Bestrebungen schlössen sich zum Theile auch die griechisch-orientalische Geistlichkeit
und die Pächter der Religionsfonds- und Domänengüter an.
Der Bauer blieb von dieser Bewegung anfangs unberührt; er begegnete jedem
Versuche einer Neuerung und Besserung mit Mißtranen und zwar um so mehr, als die
obigen Versuche von dem ehemaligen Grundherrn ausgingen. Eins wurde aber dem Bauer,
nachdem der erste Taumel der Freiheit vorüber war, dennoch klar, nämlich daß er wieder
arbeiten müsse. Dadurch daß der Staat, das Land und die Gemeinde an ihn mit immer
steigenden Anforderungen, die erfüllt werden mußten, herantrat, war er zu größerer
Arbeitsleistung auf eigenem Grund und Boden und zum Verdienste durch Arbeit beim
ehemaligen Grundherrn gezwungen.
Harte Lehrjahre waren für den Bauernstand die Nothjahre 1866, 1867 und theil-
weise 1868. War der Bauer zuvor gewohnt gewesen, in Nothjahren vom Grundherrn mit
Brod und Früchten unterstützt zu werden, so war dieser hiezn nun nicht mehr verpflichtet,
und wenn auch das Land zur Linderung des Nothstandes eingriff, so mußten doch die
Kleingrundbesitzer solidarisch für die ratenweise Rückzahlung des Nothstandsdarlehens
haften uud dieses Darlehen in einer Reihe von Jahren zurückzahlen. Die uuniittel-
baren Folgen der Nothjahre waren eine übermäßige Verschuldung des Bauernstandes, der
den Bvdenwncherern in die Hände fiel, die Pareellirnng und Zersplitterung des bäuerlichen
Grundbesitzes, welche durch die im Jahre 1868 im Landesgesetzgebungswege erfolgte
Aushebung der den freien Verkehr mit Grnnd und Boden und das Zerschlagen der
Bauernwirthschaften theils untersagenden, theils einschränkenden Vorschriften, sowie durch
den Mangel an Capital und an Credit gefördert wurde, ferner zahlreiche Noth- und
Zwangsverkäufe. Tausende von Existenzen gingen unter dem Drncke dieser Verhält-
nisse zu Grnnde. Dieser Druck wirkte aber gleichzeitig insofern wohlthätig, als die Bauern
einzusehen anfingen, daß es mit der bisherigen Art des Wirthschaftsbetriebes nicht weiter
gehe, daß sie mehr als bisher arbeiten, ihre Arbeit besser verwerthen und Grund und
Boden rationeller und intensiver ausnützen müßten.
In dieser Periode entstanden aus den in den Nothjahren nnd unmittelbar nach
denselben ausgekauften Bauerngründen zahlreiche Wirthschaften mittlerer Größe als
Zwischenstufe zwischen den Latifundien und dem Kleingrundbesitze. Der Bauer griff nach
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Band 20
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bukowina
- Band
- 20
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.14 x 21.77 cm
- Seiten
- 546
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch