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Hetze und ununterbrochener Bewegung zum ersten Male mich ruhig meinen Reflexionen
hingeben konnte. Ich war am Stande, umgeben von einer großartig schönen Natur, auf
der Bärenjagd, dem Ziele meiner Wünsche, Meister Petz vielleicht schon nahe! Welche
Weidmannsbrust würde in diesem Augenblicke nicht höher, nicht freudiger schlagen als
sonst, wenn der Gang nur dem Hirsch oder Gemsbock gilt.
Vier Bären, sagten uns die Jäger, seien in diesem Triebe abgespürt.
Es war ein langer Bergrücken, in dessen Mitte auch einige Felspartien und
Dickungen dem Könige unserer Raubthiere Schutz gewähren konnten. Kaum hatte ich mich
ruhig neben eine junge Buche gesetzt und meine Büchse schußbereit gemacht, als auch schon
in weiter Ferne das erste Geheul der Treiber und der dumpfe Klang ihrer Kuhhörner,
welche sie auch in der Zeit der Hirschjagden zum Hirschruf beuützeu, in wildem Gemenge
durch den stillen Wald drangen.
Nichts rührte sich noch um mich, nur einige Eichelhäher flatterten von Baum zu
Baum. Spechte hämmerten an den Stämmen der alten Buchen und ein Zug Meisen
belebte die Wipfel der Birken.
Ich mochte wohl eine Viertelstunde ruhig gesessen sein, als ich plötzlich im Thale
unter mir in einer Entfernung von höchstens 300 Schritten eine große schwarze Gestalt
zwischen den Bäumen heraufschleichen sah. Es war ein starker alter Bär. Ein unbeschreib-
liches Gefühl der Freude und die ersten Regungen des Jagdfiebers durchzuckten mich.
Nun hieß es aber ruhig sein, um den schlauen Gegner bis in gute Schußnähe heran-
kommen zu lassen. Langsam und vorsichtig stieg er die Lehne des Grabens herauf, bald
schleifend, bald wieder in rascherer Gangart zottelnd; von Zeit zu Zeit erhob er sich und
steckte den Kopf weit vor, um besser auslugen zu können. Erscholl hinter ihm der Lärm
der Treiber, dann schaute er sich vorsichtig um, und setzte hierauf seinen Weg rascher fort.
Er mochte mir wohl bis auf 100 Schritte nahegekommen sein, als er plötzlich anhielt
und langsam seine Richtung änderte, etwas gegen aufwärts, nicht gerade auf mich zu,
wie bisher. Ich fürchtete, er komme mir vielleicht später nicht mehr nahe genug, und als
er zwischen zwei großen Buchen mir seine ganze Gestalt frei zeigte, gab ich Feuer. Ein
gutes Zeichen ließ mich erkennen, daß die Kugel eingeschlagen habe. Einen Augenblick
blieb das angeschossene Thier ruhig stehen und schaute nach allen Richtungen umher, um
zu sehen, wo sein Feind stünde. Ich griff nach dem zweiten Gewehr zurück; diese
Bewegung hatte der Bär erblickt, und augenblicklich die Richtung gerade auf uns zu
nehmend, eilte er rascher, als ich es von dem plumpen Thiere hätte erwarten können, herbei.
Eine kleine Mulde, in der ich ihn nicht sehen konnte, durchlief er mit größter
Schnelligkeit, und nun erschien der große schwarze Kopf mit offenem Rachen, das Gesicht
in böse, wild aufgereizte Falten gelegt, nicht mehr den treuherzigen gutmüthigen Ausdruck
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (6), Band 21
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (6)
- Band
- 21
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1900
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.25 x 21.79 cm
- Seiten
- 500
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch