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zeigend, den ich vor seiner Verwundung an ihm beobachtet hatte, auf etwas über dreißig
Schritte von mir.
Ich wartete, bis ich die ganze Gestalt gut sehen konnte, dann zielte ich genau auf
die Stirn und drückte ab. Ein lantes Gebrüll war die Antwort auf meinen Schuß. Der
Bär versuchte sich auszurichten, doch brach er gleich wieder im Schnee zusammen, um sich
nicht wieder zu erheben. Die Kugel saß tief im Kopfe. Es war ein herrlicher, wunder-
barer Moment.
Der schwarze Koloß mit dem breiten trotzigen Haupt hob sich so schön von der weißen
Schneedecke ab, die er mit seinem Schweiße färbte. Einige Augenblicke, nachdem der Bär
vollkommen verendet war, bemerkte mein Jäger eine Wildkatze, die im Thale vorsichtig
hinabschlich.
Eine Viertelstunde Wartens und Lauschens verging wieder, der Lärm der Treiber
wurde immer vernehmlicher und man konnte erkennen, daß es gegen Ende des Triebes gehe.
Plötzlich sah ich unten im Thale drei dunkle Gestalten, die in voller Flucht an der
Berglehne, auf der wir standen, emporkamen. Es waren junge Bären, noch schwach, in
der Größe eines starken Jagdhundes; ihr zottiger Pelz ließ kaum die Eontouren unter-
scheiden, sie boten eher das Bild von plump dahinrollenden Kugeln.
Anfänglich nahmen die Bären die Richtung auf mich zu, dann aber bogen sie ab
uud kamen gerade vor den Grafen Schönborn, der einen derselben mit einem Schusse zu
Boden streckte; ein lautes Gebrüll folgte dem verhallenden Schusse.
Die anderen zwei kehrten auf der Stelle um, sausten halb laufend, halb rollend, die
Lehne wieder hinab und trollten nun direkt auf mich zu; die kleine Mulde vor mir
passirten sie, uud als sie zwischen den großen Buchenstämmen hindurchwechselten, wählte
ich einen Anschnss gewährenden Platz und schoß den ersten im Feuer nieder. Unter
klagendem Brüllen erhob er sich nochmals, richtete sich auf den Hintertatzen stehend empor
und blickte nach allen Seiten umher. Ein zweiter Schuß streckte ihn vollends nieder.
Der letzte von diesen drei jungen Gesellen wartete nicht lange, und kaum hatte er
das traurige Los auch seines zweiten Bruders gesehen, als er augenblicklich in wilder
Flucht abermals in das Thal hinabeilte und dort an die mittlerweile bis dahin vorgerückte
Treiberwehr anprallte, an derselben aber entlang laufend, aus dem Triebe entwich.
Die Treiber kamen noch immer rufend bis zu unseren Plätzen empor; vorsichtig,
aber mit freudigen Gesichtern näherten sie sich den erlegten Bären.
Auch ich eilte zu meiner Beute und war überglücklich, als ich die in einem Triebe,
ohne Mitwirkung der Nachbarschützen erlegten zwei Bären mit Muße betrachten konnte.
Der erste war iu der That ein sehr starker alter Geselle, dessen Größe nichts zu wünschen
übrig ließ.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (6), Band 21
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (6)
- Band
- 21
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1900
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.25 x 21.79 cm
- Seiten
- 500
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch