Seite - 112 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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Ufer einigen schmalen Streifen Ackerlandes Raum, aber zumeist läßt sie es nur bei den
dichten Granatbüschen bewenden, welche im Juni die Karsthänge mit der Glut ihrer
Blüten bedecken. Unbeweglich und steif zieht sich dagegen drüben das unwegsame linke
Ufer hin, gleich einer Escarpe-Mauer. Aber bald zeigt es eine breite rinnensörmige
Einkerbung, die vom Rande der Dnbrava hinab zum Flusse leitet, und nun gaukelt uns
die Felswand einen saracenischen Raubritterhorst, nach einer phantastischen Zeichnung
von Dore vor! So packend wirkt der Anblick der alten türkischen Festung Pocitelj . Die
aus dem grauen Steingrunde herausgearbeiteten zinnenbekrönten Mauern nnd Thürme
umschließen trotzig die in die Einkerbung versenkte Stadt, deren Häuser man von der
Bahnseite aus rasch übereinander aufsteigen sieht. Vom Rande der lichtgebadeten Dnbrava
ist aber ihr Anblick noch packender: beturbaute Reiter auf tänzelnden Rossen, langsame
Saumthiere in dem Rahmen des die Spuren vieler Sturmangriffe weisenden Thores, und
dann die todtenstille, wie versteinte Stadt um die von einer alten Cypresse überragte
Moschee, und ganz unten in der Schlucht die schäumende Narenta, auf der sich die Über-
fuhrsnachen schaukeln.
Ein kurzes, grünes Seitenthal, in welchem man das alte orientalisch-orthodoxe Kloster
Zi tomis l j ic mit seinem dürftigen Kirchlein liegen sieht, unterbricht die linksusrigeu Wände,
die sich hierauf zu noch höheren Fronten aufrichten, in welchen der mächtige Aasgeier die
größte Horstcolonie an der Narenta hat. Plötzlich hält die Flucht der linken Uferwände
inne, und wie bei dem Eintritte in das Quellland der Bosna, sieht man auch hier
unerwartet eine von Bergen umschlossene große Fläche vor sich, das Bisce-Pol je , und an
deren oberen Ende, wo die Narenta einer Einschnürung entrinnt, die zweite Stadt des
Landes, Mostar selbst. Ähnlich und doch ganz anders. Kein lieblich bewegter Vorberge-
wall nnd darüber die schönen lockenden Hochgebirgslinien, sondern ungegliedert aus der
Ebene himmelwärts aufstrebende graue Wände und Steiuklumpeu, deren Schichtung
überall zu Tage tritt, und die in Aussehen und Strnetur oft au uuabgestreifte Cigarren-
asche gemahnen, majestätisch und kahl, mit kleinen Tupfen schwärzlichen, stachlichen
Unkrautes bestreut. Die Stadt erscheint nicht gleißend und lockend, sondern aus der Ferne
auch Grau in Grau, statt des fruchtbaren Grüns auf dem Polje weiße Kalkschollen. Es ist
eine dürre Steppe, auf der sich nur selten vor der hier mit unwiderstehlicher Gewalt
dahinfegeuden Bora ein strauchartig verkümmerter, mandelbaumblättriger Birnbaum zu
erheben wagt. Auch die hier in ihrem Kalkbette schwermüthig hinziehende Narenta, welche
das ein langes Rechteck bildende Polje in zwei Dreiecke zerschneidet, vermag sie nicht zu
beleben. Aber die Pracht der Sonne, die aus der Reinheit des südlichen Himmels nieder-
strahlt, der ruhige Glanz der großen Sterne, das durch die italienisch milden Nächte
rinnende weiße Mondlicht küssen die todte Wüste wieder lebendig.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch