Seite - 148 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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Gräber häufte man auf Grüber. Unter dein Hohen Vardar zieht sich über ganz
Baljke eine Riesen-Todtenstadt hin. Hier ruhen sie alle beisammen, von der Urzeit bis
jetzt: unter den Rollsteinen prähistorischer Gomilen, monumentalen, mittelalterlichen Grab-
platten nnd neuen, schmucklosen Erdhügeln. Die Gräber umfassen die Geschichte von Jahr-
tausenden, und ihr Archiv ist die Volkspoesie. Was unsterblich war an diesen nieder-
gemähten Geschlechtern, das schwingt sich im Liede über ihre Gräber hin.
Doch wozu zurückdenken? Nach den Tönen der Trauer kommt wieder der heitere Sinn
zu Recht, und dieRndinjani sind die ersten „Veseljaks" (Spaßvögel) des Landes. Soviel
Steine in Rudiue, so viel Scherze und Schwänke. Und der Friede, der früher nie gekannte
Friede, macht sorgenlos. Das Haidekraut im Vucji-dö durchqueren jetzt Patrouillenwege,
und an den gemeinsamen Lokvas (Tränken) trifft sich Feind und Freund. Ein Brunnen,
der die Quelle gefangen, daneben ein quadergefaßtes Tränkbassin, der Platz hernm
zertreten von den Tausenden von Hufen, die sich zum Wasser drängen. Weiber und
Mädchen in der malerischen montenegrinischen Tracht, den Spinnrocken im Gürtel,
schöpfen, die Stufen zum Brunnen hinabsteigend, mit winzig kleinen Kübeln das seltene
Naß. Die Luft wiederhallt von dem Gebrülle der Rinder, dem Geblöcke der Schafe. Und
da finden sich unter den einsamen knorrigen Eichenbänmen die alten „Junaks" ein, die
Jungen belehrend über die Großthaten, die sie verrichtet, erzählend und sabulirend. Ist
es ein „Veseljak", so verschwimmt Wahrheit und Dichtung zu einem harmonischen
Ganzen. Und zu dem lauschenden Publikum gehören nnn auch die k. uud k. Soldaten. In
harmlosen Trupps kommen und gehen sie unaufhörlich mit den unentbehrlichen Wassereseln.
Die Wichtigkeit des Bileker Waffenplatzes wird von den ausgiebigen Schlund-
quellen der Trebinjeica unterstützt, die unterhalb Neubileks plötzlich zu Tage tritt. Ganz
unvermittelt schneidet sich in das Terrain ein tiefer Graben ein, den eine vom Plateau
abfallende Felswand schließt. Aus zwei finsteren Löchern schnellt hier das Flüßchen
hervor, von einem Pumpwerk sofort ausgenützt, ehe es als Grenzscheide sich weiterwühlt.
Die Chaussee läßt sich aber von seinem Laufe nicht beeinflussen, sondern folgt den alten
historischen Spuren über die unwirthlichen Karrenfelder von Panik nach dem Weiler
Mosko, wo ein Seitenpfad nordwärts in das kleine Polje von Ljnbomir abzweigt, das
ebenso fruchtbar ist, als diese Hochflächen wüst. Alles Leben scheint von ihnen hinweg
getilgt, und die über sie gestreuten Rieseugomilen machen die langen Wegstunden noch
trostloser. Nach dem graugelben Dorfe Jasen folgt als leichte Erhebung der Gliva-
Riegel. Da senkt sich jäh der Hang, und weit unten sieht man in entzückender Lebens-
freudigkeit die Landschaft Trebinje sich breiten. Die auftrotzenden Berghöhen treten zu
einem Thalgrunde auseinander, und kaum den steinigen Engen entronnen, umschlingt die
Trebinjeica mit Hilfe eines künstlichen Armes die zinnengekrönte Ringmauer des alten
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch