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durch Handel bezogen — merkwürdige Thonwaaren, von welchen zahlreiche, meist zerstückle
Proben auf uns gekommen sind. Diese bilden zwei Gruppen: verzierte Thongefäße und
kleine plastische Figuren. Die ersteren zeigen in ihren Ornamenten einen Reichthum und
eine Mannigfaltigkeit, welche in der jüngeren Steinzeit nicht ganz ohne Beispiel sind.
Doch bezeichnen gewisse Thongefäße von Butmir einen sonst unerreichten Höhepunkt
neolithischer Keramik durch die Schönheit ihrer Spiralverzierungen. In mehreren
untereinander verbundenen Reihen fortlaufende Spiralmotive sind entweder vertieft oder
erhaben ausgeführt und erinnern an die besten decorativen Arbeiten aus der mykenischen
Culturperiode Griechenlands. Dieses schöne Muster ist für das südliche Europa ägyptischen,
für weiter nördlich gelegene Länder griechisch-ägäischen Ursprunges und deutet auf einen
fruchtbaren Verkehr zwischen dem Norden und dem Süden der Balkanhalbinsel hin.
Denselben Beziehungen dankt wohl auch die zweite keramische Gruppe Butmirs, die
der kleinen plastischen Figuren, ihre Entstehung. Noch kein neolithischer Fundplatz der Erde
hat eine solche Menge thönerner Statuetten geliefert. Es sind ausnahmslos weibliche,
entweder nackt oder in langer Bekleidung gedachte Figuren, die wir wohl als Götzenbilder
oder „Idole" ansehen dürfen. Im Schema, sowie in mancher' Einzelheit zeigen sie
Verwandtschaft mit mykenischen und ägäischen Figuren aus Thon und Stein, wenngleich
hier, sowie bei den Thongefäßen Bemaluug fehlt. Läge Butmir in Griechenland statt in
Bosnien, so würde man über das gänzliche Fehlen von Metall erstaunen müssen; aber
Niemand würde Anstand nehmen, diesen Fundort mit aller Bestimmtheit der mykenischen
Gruppe anzureihen. Die Culturstufe von Butmir wird zweifellos noch öfter im Lande
nachgewiesen werden. Eine noch wenig erforschte Ansiedlungsstelle bei Nowi-Seher hat
ganz gleiche Steinsachen nnd Topfscherben geliefert. Es gibt aber noch ein zweite, typisch
abweichende Gruppe neolithischer Fundstätten in Bosnien, welche aus einer jüngeren Zeit
herstammen dürften. Der namhafteste Vertreter dieser Gruppe ist die umwallte steile Anhöhe
Debelo brdo,hart am Westrande Sarajevos. Hier zeigen die Steinsachen uud Topsscherbeu
zum Theile ganz andere Formen und die Ornamente der Thongefäße andere, auch mit nenen
technischen Mitteln hergestellte Ornamente. Die Absiedlung auf dem Debelo brdo ist nicht
rein neolithisch, sondern zieht sich, in der jüngeren Steinzeit begründet, durch alle prä-
historischen Perioden bis in die. römische Zeit hinein. Diese lange Dauer dankt sie, wie die
ganze Gruppe prähistorischer Höhenbesiedlungen in Bosnien und der Hereegovina, ihrer
geschützten Lage, durch die sie sich auffallend von dem flachen Butmir unterscheidet. Die Zahl
der in unserem Gebiete bisher nachgewiesenen, mehr oder minder ähnlichen, befestigten Wohn-
plätze beträgt nahezu ein halbes Tausend. Ihre Befestigungen bestehen in geraden, kreisrunden,
elliptischen oder polygonalen Wällen, welche Flächen von oft mehreren Hektaren Ausmaß
umschließen oder abschließen. Das Material der Wälle besteht je nach der Bodenbeschaffenheit
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch