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und Waldvolk, der Karst des Südens den leidenschaftlichen, ungestümen Karstbewohner,
dessen Charakter so sehr den Steinfeldern der hercegovinischen Gebirge ähnelt: äußerlich
glatt und unbeweglich wie der Stein, aber trügerisch in seinen Tiefen.
Diese Völker waren reich an männlichen Tugenden, Helden in der Vertheidigung
ihres häuslichen Herdes und als Zerstörer gefürchtet. Jeder wollte den Nachbar seine
Kraft fühlen lassen; ihr Ideal war die grenzenlose Freiheit des eigenen Ichs, der Ruhm
der Familie, die Stärke der Männer, welche in Sagen und Heldenliedern genannt nnd
besungen werden. Nie konnte und wollte sich einer dem andern unterordnen. So ver-
schiedene Völker sich auch in den Bergen ansiedelten, die steilen Ufer der adriatischen Küste
bewohnten, niemals konnte ein Volk innerhalb dieses Gebietes einen festbegründeten
Staat bilden; niemals besiegte der menschliche Wille die Hindernisse der Natur. Wir
sehen den Kampf für die eigene Person, den Kampf für den häuslichen Herd, den Kampf
um die Herrschaft, den Kampf um den Glauben — aber nie den Kampf für die Gesammt-
heit, und wie die Geschichte zeigt, gelang es nur in wenigen historischen Momenten dieses
immer bewegliche Element von Außen her in eine friedliche Strömung zn lenken.
Die Südosthalbinsel Europas wurde einst durch drei Völkerschaften besetzt: im Westen
von den Jllyriern, im Osten von den stammverwandten Thrakern, im Süden von
makedonifch-epirotischen Stämmen, deren Grenzen heute nicht mehr genau zu bestimmen
sind. Nur im Allgemeinen kann gesagt werden, daß östlich von der Morava Thraker,
westlich davon Jllyrier und südlich von den kerannischen Bergen die mit den Dorieru
verwandten Makedouer und Epiroten lebten. Alle drei Völkerschaften bilden einen
Zweig der indo-enropäifchen Völkerfamilie und wanderten gewiß aus verschiedenen
Richtungen in die Halbinsel ein. Im Gegensatze zu den meist seefahrenden können diese
drei Stämme als Binnenvölker charakterisirt werden. Sie lebten in ihren Bergen als
Hirten, in den Ebenen als primitive Ackerbauer, während die Hellenen als eine Jnfel-
nnd Küstenbevölkerung, als Pionniere des Handels und Vermittler der in ihrem Geiste
umgestalteten orientalischen Cultur gelten können. Dasselbe Bild im Kleinen zeigt uns die
Nordwestecke der Halbinsel. An den Küsten siedelten sich hellenische Schiffer und Kaufleute
an und gründeten die ersten Niederlassungen an der adriatischen Küste, die sich dann zu
blühenden Handelsstädten entwickelten. Im Binnenlande lebten die verschiedenen
illyrischen Stämme, von welchen im Alterthume berichtet wird, daß sie „nur vier
Gesetze anerkennen: das der Rache, des Raubes, der Lüge und der Verachtung aller Götter".
Diese Auffassung lehrt, daß die illyrischen Stämme räuberische Hirten waren, die
sich durch die Blutrache selbst ihr Recht suchten, ihr Gebiet nach Bedarf vergrößerten,
gegen Fremde keine Vertragstreue kannten und dem Culte der Hellenen, sowie später der
Römer, gänzlich abhold waren. Sie lebten in Stämme vereint. Der Reichste, der Stärkste
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch