Seite - 215 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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freundlichkeit ist auch durch die Hoffnung zu erklären, daß sie als unterwürfige „Sclaven"
des Sultans Vrhbosna sammt dem Ostgebiete als Lehen erlangen könnten. Die Türken,
die nunmehr beinahe ein Jahrhundert lang mit diesen Völkern in Berührung gestanden,
waren politisch wie militärisch gleich geschult und erkannten die kleinlichen Ränke und
den Charakter ihrer Nachbarn wohl noch besser, als diese selbst es ahnten. Der Sultan
in Constantinopel war sehr wohl über die Verhältnisse unterrichtet, und schon aus frühen
Zeiten hören wir Klagen über mohammedanische Spione, die das ganze Land bereisten und
die türkischen Befehlshaber über alle Örtlichkeiten und Persönlichkeiten genau unterrichteten.
Mathias Corvinus war bald im Klaren darüber, daß er in einem bosnischen Könige,
der seinen Tribut dem Sultan entrichten mußte und zu einem schwankenden Verhalten
gezwungen war, nie einen treuen und verläßlichen Verbündeten seiner Macht finden könne.
Der letzte König suchte sein Heil bei dem Papste. Er warf sich der Curie in die
Arme, bot sein Königreich dem heiligen Stuhle an und ließ sich im Jahre 1461 sozu-
sagen als päpstlicher Vasall krönen. Mit dieser That wollte er beweisen, daß das ehemals
bogumilische häretische Königthum nun ein rein katholisches sei, und glaubte sich dadurch
in den Schutz des Westens zu begeben. König Mathias hielt das Ganze für eine Komödie,
er grollte auch deßhalb dem Papste und machte ihm Vorwürfe, daß er sich von dem
Verräther Smederevos habe hintergehen lassen.
Als der König den richtigen Moment erfaßt zu haben glaubte, verweigerte er dem
Sultan öffentlich in verletzender Weise den Tribut. Nunmehr mußte ihm der Westen zu Hilfe
kommen. Aber er hatte sich verrechnet. Su l t an Mehmed zog in Eilmärschen mit einem
großen Heere heran, eroberte mit Leichtigkeit das seinen Heerführern wohlbekannte Land,
und in kaum zwei Monaten war ganz Bosnien unterworfen. Stefan Tomaseviö, der
König, wurde (wahrscheinlich bei Jajce, im Juli 1463) getödtet. Auf alle Fälle beging der
Sultan einen vorsätzlichen politischen Mord, indem er den alten staatsmännischen Grund-
satz des Orients befolgte, daß das Reich sammt seinem Oberhaupte vernichtet werden müsse,
deßhalb rottete er die Dynastie aus. Ein Bruder des Königs wurde Mohammedaner,
seine Stiefmntter Katharina aß das Gnadenbrot des Papstes in Rom, wo ihr Grabstein
an einem Pfeiler der Hauptkirche der Franeiscauer bei eovli noch heute steht.
Werfen wir nun einen Rückblick auf die politische Geschichte des königlichen Bosnien,
so ergreift uns nicht jenes historische Mitleid, das wir bei der Betrachtung großartiger
Trümmer, bei dem Sturze kolossaler Institutionen empfinden; es ist einfach das Zusammen-
sinken eines Organismus, der nach seiner Beschaffenheit keiner selbständigen Entwicklung
fähig, dem damals übermächtigten Osten erlag. Der Fall Bosniens ist eine Consequenz
jener neuen weltgeschichtlichen Evolution, welche mit der Eroberung Constantinopels eine
neue Aera einleitet.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch