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beziehungsweise byzantinische Einfluß wirkte nur mittelbar auf sie ein. Diesen Einfluß
können wir bei Betrachtung der Entwicklungsgeschichte Bosniens nicht in Zweifel
ziehen; lag doch Ragusa nahe bei Chulm, der späteren Hercegovina, Spalato nahe
dem südwestlichen Bosnien und in beiden hatte sich das altrömische Municipalwesen
unter geänderten Verhältnissen, jedoch in continuirlicher Weise erhalten. Während sich
aber bei den Croaten und Serben durch das tiefe Eindringen des Christenthums das
ganze Volksleben, wenn auch von zahlreichen Überresten des Heidenthums durchsetzt,
umwandelte, erhielt sich in Bosnien bis zum Durchgreifen des Islam, der vom XV. bis
zum XIX. Jahrhunderte bei den Bosnjaken dieselbe Rolle spielte, wie bei den Croaten
nnd Serben der christliche Glaube, der alte bosnische Stammesgeist viel frischer und
urwüchsiger. Und hierin sehen wir die sociale Bedeutung des bogumilischeu Glaubens,
der zwar die uniforme Entwicklung, die Einwirkung der mittelalterlichen Cultur verhinderte,
aber anderseits die endemischen Formen aufrecht erhielt.
Ihren Nachbarn gegenüber bildete die bosnische Societät einen besonderen territorialen
Staat, dessen Einwohner Bosnjanin, Bosnenses genannt wurden. An der Spitze
standen die Oberhäupter, Boljaren, Optimales, welche insgesammt den Adel bilden
und ihrer staatsrechtlichen Stellung nach in vielen Beziehungen dieselbe Rolle spielen wie
in Ungarn die nobiles re^ni, die sich schon im XIV. und XV. Jahrhundert als Mitglieder,
Theilinhaber — wir möchten sagen Aetieninhaber — der Staatsgewalt fühlten. Alle
Acte von internationaler Wichtigkeit, wie auch die wichtigsten inneren Angelegenheiten
konnte und durfte der Bau, und später der König nicht ohne den Rath, das heißt ohne die
Einwilligung seiner Bojaren vollziehen. Unzweifelhaft entstand der bosnische Adel, wie
in der primären politischen Entwicklung überall, aus den Stammes- und Familienhäuptern,
welche eine gewisse Rolle spielten und diese dann theils als Titel, theils in Form von
ererbten Privilegien zu einer überragenden Stellung steigerten. Diese überragende Stellung
behauptete der bosnische Adel im Laufe der ganzen bosnischen Geschichte. Bosnien und die
Hercegovina verblieben sogar während der türkischen Occupatio» ein aristokratisches Land im
Sinne der alten Verfassung, während der serbische Adel theils ausgerottet, theils zuOsmanlis
gemacht wurde, theils sich in den benachbarten Gebieten zerstreute. Das Land war in Znpen,
in denjenigen Theilen aber, die früher unmittelbar zu Ungarn gehörten, in Eomitate und
einzelne Districte getheilt. Die Zupen oder Gaue bildeten die administrativen und gericht-
lichen Bezirke, die einen Banalbeamten, den Vlackalae zum Vorstande hatten. Die Edelleute
waren aber nur dem Ban, beziehungsweise dem Könige Unterthan und hatten die einzige
Verpflichtung, ihm im Kriegsfalle beizustehen. Die Bezeichnung „Boljar" wechselt mit dem
serbischen Vlastelin und oft auch mit der Bezeichnung ?Iemenik, welche in Bosnien im
Mittelalter nicht nur de» Stammesangehörigen, sondern auch den Nobilis bedeutet; und
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch