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wir jetzt zunächst keine Spur von inneren Zwistigkeiten; ebenso wie die Serben zu
Ende des XIV. und zu Anfang des XV. Jahrhunderts sind alle mohammedanischen
Bosnier entschiedene und tapfere Vertheidiger des Islam, der osmanischen Sache. Es
ist das erstemal, daß die Bosnier Mitglieder eines großen Staates werden, ihre
Fähigkeiten dort zum Ausdrucke bringen können, sich für ihre Tapferkeit belohnt sehen
und am glänzenden Hofe von Constantinopel eine würdige uud ehrende Ausnahme finden.
Nichts ist bezeichnender, als die interessante mohammedanisch angehauchte neue Volks-
poesie Bosniens, welche in der nationalen Sprache ihre neuen Helden besingt, während in
den serbischen Heldenliedern das orthodoxe Christenthum und der glühende Haß gegen den
Islam den Grundton bildet.
Der ganze Boden des Landes wurde als Staatseigenthum erklärt, aber den alten,
zum Islam übergetretenen Eigenthümern zum Besitze überlassen; immerhin wurde jedoch
das oberste Besitzrecht des Staates gewahrt. Ein wohldisciplinirtes starkes Heer, zu
dessen Unterhalte durch eine geschickt angelegte Finanzverwaltung alle Volkskräfte
herangezogen wurden, und der islamitische Glaubenseifer waren die Säulen des Reiches.
Wenn wir die leider nur bruchstückweise auf uns gekommenen Defters (Ausweise
der verschiedenen Einnähmsquellen) des bosnischen Beglerbeg (Statthalterschaft) durchsehen,
bekommen wir erst einen Begriff von dem intensiven, auf alle Verhältnisse des Lebens
sich erstreckenden Verwaltungstalente, das in diesem Zeitalter nicht nur den türkischen
Waffen, sondern auch der türkischen Politik den Vorzug sicherte. Dieser Vorzug bestand
aber nicht länger, als bis die Biederkeit und Solidität des türkischen Volkselementes
corrumpirt wurde. Und dies trat bald genug ein.
Der große Unterschied zwischen den westlichen und orientalischen Lehen besteht darin,
daß, während im Westen der Jmmobilienbesitz, ohne Rücksicht auf dessen Ertragsfähigkeit,
selbst den Gegenstand des Lehens bildet, im Oriente, obzwar auch hier das immobile
Lehen den Gegenstand der Schenkung des Sultans darstellt, nicht auf den Grundbesitz
selbst, sondern auf dessen Ertrag, den Dirlik, Gewicht gelegt wird. Der Sultan bestimmt
nach den Verdiensten des Einzelnen die Rente, mit welcher er seine Getreuen belohnen
will, und sucht ihm unter den Lehen eines ans, welches dieser Absicht am meisten
entspricht. Wenn sich in Bosnien ein Lehenbesitzer neue Verdienste erworben hatte,
konnte er nach einem Jahre oder sonst bestimmten Zeitraume ein neues Lehen bekommen,
das je nach dem Freiwerden eines Grundbesitzes auch in Egypten oder in Trapezunt
liegen konnte. Der Lehensmann war daher nicht an seinen Besitz gebunden, das ganze
Reich war sein Vaterland, denn der Dienst des Kaisers war überall derselbe.
Das orientalische Lehen ist daher das Gehalt des Einzelnen, das nicht in
Bargeld gereicht wird, sondern aus dem Complexe der catastral-festgestellten kaiserlichen
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch