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Doch dieser Vorstoß erfolgte erst ein Jahrhundert später, und die Türken wurden im Besitze
ihrer Großinachtstelluug erhalten, einerseits durch die Uneinigkeit ihrer vielen Feinde,
anderseits durch die religiösen Gegensätze in Deutschland, die der Weltlage eine andere
Gestaltung gaben. Mittlerweile hatten die Türken Zeit zu noch weiterer Stärkung ihrer
Macht innerhalb ihrer natürlichen Grenzen und speciell in Bosnien, dessen Wichtigkeit die
Sultane nie verkannten, und das sie fortwährend begünstigten.
Zu Ende des XVI. Jahrhunderts hatte die Türkei den ersten starken Stoß auszu-
halten, der mit seinen Nachklängen bis in die ersten zwei Jahrzehnte des XVII. Jahr-
hunderts fortvibrirte. Das ist die erste große Balkanbewegung, zugleich die erste große
europäische Liga, die sich die Zertrümmerung der türkischen Macht zum Ziele setzte.
Auf dem päpstlichen Stuhle saß Sixtus V., vielleicht der größte unter den Männern,
die sich als Päpste zur Leitung der Christenheit emporgeschwungen. Abgesehen von den
universellen Zielen des Papstthums empfand der einstige Hirtenknabe von Montalto
warme Sympathie für die Balkanchristen überhaupt. Er rühmte sich sehr oft seiner
Abstammung, daß seine Vorfahren aus slavonischen Gebieten vor den Türken nach
Italien geflüchtet seien, und hielt es sozusagen für eine persönliche Pflicht, den dort
gebliebenen Nachkommen seiner Vorfahren beizustehen. Obwohl die eingelangten Berichte
gleich nach den Schilderungen der Christenverfolgungen in erster Reihe den Gegensatz
hervorhoben, der zwischen der orthodoxen und lateinischen Christenheit auf der ganzen
Linie obwaltete, gab er doch die Hoffnung nicht auf, daß es ihm schließlich gelingen
werde, die gesammte Christenheit, ob orthodox, ob protestantisch, zu ihrem Heile wieder
zn vereinigen. Er sah wohl ein, daß die Begeisterung der Krenzzüge im XVI. Jahr-
hundert nicht mehr zu entfachen sei, doch hoffte er Alle durch politische Motive für seine
Pläne zu gewinnen.
Als nach dem Tode dieses Balkanfrenndes sein Schüler, der Cardinal Aldobrandini,
unter dem Namen Clemens VIII. anf den päpstlichen Stuhl kam, spann er die Fäden
weiter, ließ sorgfältig alle Beschwerden und Klagen der Christen prüfen und schickte sich
zur Verwirklichung der Befreiungspläne an. Als der ersten und unmittelbaren Werkzeuge
mußte sich das Papstthum natürlich der römisch-katholischen Geistlichkeit im türkischen
Reiche bedienen und ihr, entgegen seinen Anschauungen, ihre vielen canonischen Gebrechen
nachsehen; denn ebenso zerrüttet wie die Herde waren auch ihre Hirten. Doch glaubte
die Curie nicht verzagen zu dürfen, sondern eiferte vielmehr durch ihre Legaten die dort
gebliebenen Christen fortwährend an und veranlaßte in den bosnischen, bulgarischen,
albanesischen und macedonischen Provinzen Visitationen, welche mehr als Kundschafter-
dienste, denn als canonische Prüsnngsreisen zu betrachten sind. Am nächsten lag der Curie
das adriatische Dreieck, in welchem ja an der Küste unter venetianischer Botmäßigkeit die
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch