Seite - 273 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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Bewegung in den Jahren 1850 bis 1852 glich einer zweiten Eroberung des Landes.
Während aber vor Jahrhunderten die Weltlage für die türkische Eroberung günstig war,
standen jetzt alle Factoren, sowohl die inneren wie die äußeren, der Verwirklichung der
türkischen Ziele hindernd im Wege. Die den alten Wojvoden erbliche Capitänswürde der
einheimischen Familien war wohl abgeschafft; aber die an ihre Stelle getretenen kaiserlichen
Oberbeamten in Travnik, Zwornik, Novibazar, Tuzla, Banjaluka, Bihac, mit dem Titel von
Paschas ausgestattet, setzten ganz einfach die alte Wirthschaft fort.
Allen Bestrebungen, welche Bosnien in den Bereich der neuen Militärreform
einbeziehen wollten, setzte das Land, trotzdem es in Parteien zersplittert war, ein-
müthigen Widerstand entgegen. Es sollte ein reguläres Cavallerie-Negiment, aus
vier Escadronen zu 160 Pferden bestehend, gestellt werden, wozu die alten Lehens-
besitzer verpflichtet waren : ferner war ein reguläres Infanterie-Regiment von 4 Tabors
zu 800 Mann zu organifiren; aber lange Zeit (bis Mitte der Sechziger-Jahre) hatte
kein Statthalter den Muth zu dem Versuche, dieses Project zu verwirklichen. Noch
mißlicher stand es um die Steuerverwaltung. Alle Zweige derselben waren verpachtet;
der Staatsschatz in Constantinopel mußte sich zufrieden geben, wenn überhaupt
etwas von Bosnien einging. Den Nutzen zogen die unter mohammedanischer Firma
ansässigen Associationen, an deren Gewinn aber auch schon das orthodoxe Element
theilzunehmen wußte.
Von Handel war gar keine Rede; die schlechten Wege, die noch schlechteren Unter-
künfte, die geringe Sicherheit, der gänzlich rechtlose Zustand vor den Gerichten, die ver-
schwindend schwache Autorität des Staates verhinderten die einheimischen Christen, aber
auch die Mohammedaner und vollends die fremden Elemente an der Theilnahme an
commerciellen Unternehmungen. Ein sehr charakteristisches Detail ist es, daß noch in den
Fünfziger-Jahren außer einigen wandernden Schneidergesellen, etlichen Holzhauern in den
Grenzwäldern und drei Kaufleuten, die aus Ragusa nach der Hercegovina Handel trieben,
nicht ein Fremder sich in diesem Lande aufhielt. Das Los der Christen war, mit euro-
päischen Augen gesehen, trostlos.
Die dortigen Christen selbst aber hatten sich an diesen Zustand gewöhnt und als
gedrücktes Element eigentlich gar keinen Sinn für Emancipation im westeuropäischen
Sinne, sondern empfanden nnr die thätlichen Grausamkeiten seitens der herrschenden
Classen. Um ihr Los zu schildern, genügt es hervorzuheben, daß noch lange Zeit den
Katholiken außer in den drei Klöstern Bosniens nnd zweien in der Hercegovina kein
kirchlicher Gottesdienst gestattet war; sie mußten im Freien zusammenkommen, die
primitivsten Buden, welche zum Gottesdienste provisorisch hergestellt waren, wurden
zertrümmert, und überdies hatten sie schwer zu leiden unter der Wuth der Mohammedaner,
Bosnien und Hercegovina. 18
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch