Seite - 299 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
Bild der Seite - 299 -
Text der Seite - 299 -
299
Beichtgeheimnisses verlassen dürfe. Sollte er aber bis zu einem festgesetzten Termine nicht
Folge leisten, so würde er dem verfallen. In manchen Fällen wirkt diese
Aufforderung, der Dieb nimmt die erste Gelegenheit wahr, zum Pfarrer zu gehen, seine
Sünde einzugestehen und Ersatz zu leisten. So gelangt der Geschädigte oft zu dem
Geraubten, ohne daß der Nanie des Diebes je in die Öffentlichkeit gelangt. Meldet sich
der Verbrecher bis zum festgesetzten Tage nicht, so wird der Geistliche nach dem
Evangelium beiläufig folgende Ansprache an das Volk richten: „Liebe Brüder, der
Bruder N. N. wurde beftohlen, und der Thäter hat sich nicht gemeldet. Geben wir
ihm noch einen Termin bis St. . . (folgt ein Festtag), und kommt ihm die Reue
bis dahin nicht ins Herz, so gebe Gott nnd dessen Helfer (Nöda): seine Stiere
mögen nicht brüllen, seine Pferde nicht wiehern, seine Lämmer nicht blöken, seine
Kälber nicht schreien, in seinem Hause mögen Kinder- und Sangesstimmen verstummen —
das gebe Gott!" ruft hierauf das ganze versammelte Volk. „Gott werde ihm
nie zu Theil, und die Menschen mögen ihn meiden!" „Kehrt aber die Reue
bei ihm ein", fährt der Geistliche fort, „und leistet er Ersatz, so sei Gott ihm gnädig
und verzeihe ihm die Sünde!" ,^min!« spricht das Volk zum drittenmal. Hierauf
fordert der Geistliche den Verbrecher nochmals zur Reue auf und beruft sich auf das
Beichtgeheimniß.
Ist der Verbrecher verstockt genug, auf diese Beschwörung hin nicht Folge zn leisten,
so wird zu einer anderen Untersuchungsart geschritten, die gewöhnlich von Erfolg
begleitet ist. Der Beschädigte bittet einen Freund, er möge den Ermittler („sokcxZiZac:-)
machen, und vereinbart mit ihm die Prämie, welche er für das Zustandekommen des
gestohlenen Gutes zu geben geneigt ist. Der „Sokodrzac" nimmt eine Haselruthe, spaltet
sie an einem Ende, legt den bestimmten Betrag (soöbina) in die Spalte, bindet ihn fest
und zieht damit von Ort zu Ort, indem er deu Thatbestand Verlautbart und demjenigen,
welcher den Dieb anzeigen, würde (svk) die soebina (Prämie) verspricht. Kennt nun
Jemand den Dieb, so wird er heimlich den Sokodrzac davon verständigen und erhält
sofort die Hälfte der Prämie ausgezahlt. Der Ermittler ruft nun den Verdächtigten vor,
hält ihm alle Verdachtsmomente vor und fordert ihn auf, das Geraubte zu ersetze« und
die Kosten der Socbina zu zahlen, wobei er sich verpflichtet, daß kein lebendes Wesen
erfahren solle, daß er der Dieb sei. Gewöhnlich wird der Dieb den Schaden ersetzen,
denn sonst würde die Sache vors Gericht kommen, wo der „Sok" zeugen muß, und die
ganze Welt würde sein Verbrechen erfahren, während er sich, wenn er Ersatz leistet, auf
die Diskretion der Mittelsperson verlassen darf. Der „Sok" erhält dann den Rest der
Prämie, und mit der Befriedigung des Geschädigten endigt das Verfahren in aller Stille
und Freundschaft.
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch