Seite - 306 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Band 22
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War die Summe des Schadenersatzes nicht vorher ausbedungen, so geht der Rächer
vor Abschluß des Blutfriedens im Kreise herum, und was er an den dort Stehenden
Werthvolles findet, das seinen Gefallen erregt, nimmt er ihnen ab und legt es vor den
Büßer. So häuft er dort reiche Waffen, Silberpanzer (toke), Schmuck und dergleichen
an. Dieses bleibt mich sein Eigen, und der Büßer ist verpflichtet, die früheren Eigenthümer
dieser Gegenstände schadlos zu halten. Bei solchem Anlasse würde es aber Jedermann als
unwürdig erachten, auch nur einen Kreuzer mehr für den Gegenstand zu fordern, als er
wirklich Werth war oder gekostet hatte.
Sehr häufig geben Besitztheilnngen Anlaß zur Appellation an die Volksgerichte.
Wird ein Hausstand unter die antheilberechtigten Mitglieder vertheilt, so erfordert es die
gute Sitte, daß die Nachbarn dazu gerufen werden, um als Zeugen oder Richter zu
fungiren. Da diese bewirthet werden müssen und hiednrch den Theilenden bedeutende
Kosten erwachsen, so geschieht es wohl, daß die Theilungen heimlich ohne fremde Inter-
vention erfolgen, was aber als unschicklich gilt. Bei der Theilung wird nach alt-
hergebrachten Normen vorgegangen und vor Allem die ,osodina° ausgeschieden. Der
Gründ und Boden, die Immobilien, der Viehstand und die Baarvorräthe werden nach der
Anzahl der antheilberechtigten Familien, beziehungsweise Brüder ausgetheilt. Hier wäre
es angezeigt, auf die volksthümlichen Bemessungseinheiten der Ländereien hinzuweisen.
Neben der üblichen türkischen Einheit Dunum werden Äcker gewöhnlich nach der Samen-
menge, die sie aufnehmen, oder nach Pflügen, die nothwendig sind, um sie in einem Tage
zu ackern, bemessen. Gärten werden nach Hauen, Wiesen nach Sensen, Weideland aber
nach Stuten bemessen. In letzterem Falle bezeichnet 1 Kobila soviel Weideland, als
ausreichen würde, einer Stute auf ein Jahr genügend Nahrung zu gewähren. Eine
Ploca (Hufeisen) bezeichnet den vierten, ein Klinac (Hufnagel) den vierundzwanzigsten
Theil der obigen Einheit.
Anßer seinem Antheile erhält der bisherige Starjesina gewöhnlich als Ehrenantheil
(slai'Minslvo) das beste Reitpferd oder das beste und schönste Gewehr zugesprochen,
während es die gute Sitte verlangt, daß dem jüngsten Theilhaber das elterliche Haus
zugesprochen wird und die älteren Brüder ausziehen müssen. Hanf- und Wollvorräthe,
gedörrtes Fleisch, Nahrungsmittel und Getränke werden nicht nach der Anzahl der theil-
berechtigten Brüder, sondern nach der Kopfzahl der Hausbewohner vertheilt. Ist einer der
Theilenden nicht verheiratet, so erhält er zur Bestreitung seiner Hochzeitsauslagen aus der
Theilungsmasse einen Beitrag, gewöhnlich einen Ochsen. Verheiratete Schwestern haben
keinen Antheil, unverheiratete aber Anspruch auf einen halben männlichen Antheil. Die
Witwe eines theilberechtigten Bruders hat, falls sie Kinder besitzt, Anspruch auf den
Antheil ihres verstorbenen Mannes, ist sie kinderlos, nur auf ihre Ofobiua. In dem
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Band 22
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Bosnien und Herzegowina
- Band
- 22
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.34 x 22.94 cm
- Seiten
- 536
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch